Review

Visible Cloaks

Reassamblage

RVNG Intl • 2017

Nach Asien blicken auf der Suche nach Inspiration bedeutet nicht zwangsläufig, östliche Weisheiten von Ayurveda bis Zen zu erkunden. Für ihr zweites Album als Visible Cloaks haben sich Spencer Doran, u.a. beim Drone-Projekt RV Paintings, und Ryan Carlile von den Portland-Psychedelikern Eternal Tapestry an ganz anderen Vorbildern orientiert. Eine Art »Weltmusik« 4.0, erschaffen am Sampler, schwebte dem Duo vor. Mit MIDI und Zufallsoperationen gehen sie zu Werke, um Offenheit und bewusstere Wahrnehmung zu erzeugen (also doch ein Meditationsansatz?). Als Material plündern sie alle möglichen digitalen Klangbestände und zelebrieren eine Künstlichkeit mit simulierten asiatischen Elementen, wie sie in ähnlicher Weise Fatima Al Qadiri erfolgreich auf ihrem Album »Asiatisch« durchexerziert hatte. Visible Cloaks sind aber noch eine entschiedene Drehung abstrakter, schaffen in ihren mit viel Freiraum arbeitenden Stücken eine desorientierende Übersichtlichkeit, die entsteht, weil die Klänge zwar klar im Raum positioniert wirken, aber mitunter aus allen möglichen Richtungen heranzuschallen scheinen. Der Titel »Reassemblage«, für den die vietnamesische Filmemacherin Trinh T. Minh-ha Pate stand – ihr berühmtes Filmessay von 1982 hieß genauso –, passt bestens zu diesem »panglobalen« Mobile: Die Schönheit entsteht nicht aus den isolierten Einzelteilen, sondern daraus, wie sie vom Ohr zum Ineinanderfließen gebracht werden.