Review

Oratorium

»Oratorium«

Tramp / The Artless Cuckoo • 2017

DJ Scientist schlägt dem Teufel erneut ein Schnippchen – und liefert, nach dem gottgefälligen Albumsampler »Music with a Message«, ein weiteres Zeugnis dafür ab, wie Prog Rock und Christentum unter einen musikalischen Hut gebracht werden können. Als erzkonservativer Gralshüter geiler Klänge bringt er auf seinem Label The Artless Cuckoo, in Koopration mit Tramp Records, Oratoriums selbstbetitelte LP heraus, die – ursprünglich 1972 erschienen – weihevoll-sakralen Gitarrensound in den Altarraum freier Beatmessen schob. Die gab´s nämlich zuhauf – und Oratorium bereits zu Beginn der Bewegung den Ton an. Bevor Jesus Christ Superstar wurde, reitete die fränkische Band sowohl die Surfrock-Welle als auch die des Messias, fusionierte Weihrauch mit Kraut und Rosenkranz mit Groove. Angeleitet wurde die sechsköpfige Band von Bernhard Hornig, ihr Sänger war Georg Hornig, der seine Stimmbänder zuvor bei den Regensburger Domspatzen auf christlich-erbauliche Heilsbotschaften polte – was z.B. bei »Wir feiern große Festlichkeit« powerballadesk á la Procol Harum oder The Animals zum Tragen kommt. Und auf funky Weise ungelenk, wenn er mit messianischem Anspruch seinen inneren Spoken-Word-Interpreten rauslässt. Getoppt werden kann das wohl nur von der exaltierten Orgel-Orgiastik, mit der der Song »It´s love (Es ist die Liebe)« den Heiligen Geist beschwört. Was man seinerzeit wohl recht ernst genommen hat, wird heute natürlich mit ironischem Abstand genossen – was die Platte aber keineswegs schmälert. Die »Oratorium« LP ist von Anfang bis Ende beseelt und auf jene unverschämte Weise schamlos, die nur wahre Glaubensverfechter drauf haben. Dabei ist sie herrlich harmlos – und durchgängig stark. Amen.