● Vinyl 2LP Es ist der denkbar bekackteste Anlass im Rahmen eines neuen Roc Marciano Albums die Ausnahmestellung des jüngst verstorbenen MF Doom herauszuarbeiten, aber der kreative Run, in dem sich Marci immer noch befindet, ist durchaus mit der zehnjährigen Peak des Maskenmannes zu vergleichen, zumindest in der Konstanz des Outputs. Auch für »Mt. Marci« gilt eigentlich wieder alles, was wir zu dritt vor fast drei Jahren festgestellt haben und nach wie vor sind in Deadpan vorgetragene Punchline-Zingers nirgends so unterhaltsam wie hier.
● Vinyl 3LP Auch über Terrence Dixon ist eigentlich alles gesagt, aber trotzdem ist »From The Far Future 3« vielleicht Dixons bestes Album bisher. Die typischen tiny ass Kickdrums bleiben auch hier auf den besten Tracks das Metronom in Dixons abgründiger Synthfiguren-Choreographie und mit dem Albumhighlight »Unconditional Love« wird sogar noch die Frage geklärt wie Moodymann auf Darknetdrogen geklungen hätte. Legende, der Typ.
● Vinyl 2LP Lou Karsh hat innerhalb von fünf Jahren Electro durchgespielt, dennoch ist sein erstes Album als Reptant mehr als der neunundfünfzigtausendste Drexciya-Klon, vor allem da Karsh es momentan besser als jeder andere versteht gleichzeitig Detroiter Eleganz und Rotterdammer Stiernackigkeit für sich arbeiten zu lassen, meist klassisch irgendwo zwischen 135 und 140 BPM. »Return To Planet X’trapolis« spielt also mit offenen Karten und erspart euch die bevormundenden Ambient-Interludes zwischen den verschwitzten Peaktime-Bangern.
● Vinyl LP Ebenfalls eindeutig in seinem Anliegen ist »Rite Of Passage« von Fiesta Soundsystem, der nächsten Vintage-Abfahrt auf Time Is Now. Klassische Jungle- und Harcore-Breaks, gerne mal 10-15 BPM langsamer und professioneller quantisiert als man erwarten würde, aber immer gänzlich ungeniert in der Golden Era verortet. Innovation 0, Fun 300.
● Vinyl 2LP Etch bemüht sich schon einige Zeit redlich im ollen Aaaaardkore Kontinuum neue Winkel auszuleuchten, auf »Strange Days« unter anderem durch virtuosestes Drum-Programming, aber auch indem düstere Dubstep-Elemente furzende Rave-Bässe und euphorische Garage-Schnippsel unterwandern und »Strange Days« zu einer ungewöhnlich uncanny Dance-Platte machen.
● Vinyl LP Uncanny ist dann erwartungsgemäß auch ein prima Adjektiv für die Platte, die Tolouse Low Trax unter seinem bürgerlichen Namen mit Emmanuelle Parrenin gemacht hat. Aus dem stählernen MPC-Groove wird hier ein merkwürdig entrücktes Pulsieren, noch mehr als bei Toresch stellt sich Detlef Weinrich in den Dienst seiner Vokalistin, ohne je Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass nur er diese Platte hätte produzieren können. Chansons aus dem Hades, was könnte besser in diesen Winter passen?
Die Schallplatten aus Aigners Inventur findest du im Webshop von HHV Records.
● Vinyl 2LP Was Philipp Otterbach auf seinen letzten beiden EPs bereits anteaste, kulminiert nun auf »Everything Else Matters« in Musik, die klingt wie die abgründigsten Momente in seinen ohnehin schon niemals konventionellen DJ Sets. Das versuchen viele, wie Otterbach hier aber, ohne jemals seine Einflüsse wirklich offenzulegen, Nicht-Genre an Nicht-Genre reiht, ist schon ganz stark. Ein unglaublich selbstsicheres Album.
● Vinyl LP Dass Jonquera jemals morbiden Gothic-Dembow und okkulte Soundcollagen produzieren würde, hätte man nach den Pilotwings EPs nicht unbedingt vermutet, aber »Darkos« zieht die Gardinen tatsächlich ganz weit zu und ist immer dann am besten, wenn es sich rhythmisch die größten Freiheiten gönnt. Ein Album über das 2040 geschrieben werden wird es sei soooo Lockdown.
● Vinyl LP Broshuda verzichtet auf gotischen Chic, aber auch auf »Contemplative Figuration« kommen Kick- und Bassdrum nur mikrodosiert vor. Für das No Corner Umfeld fast schon ungewöhnlich harmonisch, wird hier das Mille Plateaux’sche Verständnis von Dub mal wieder generalüberholt und mit dem ungenierten Piano-Kitsch von »Song Für Hase« sogar noch gepuderzuckert, bevor das rüde »Pagoda« doch so etwas wie Club Musik antestet. Eigensinnig und von mir im September hier sträflich übergangen.
● Vinyl 2LP Platten auf Modern Love höre ich mir immer mindestens zweimal an. »Holy Palm« von Flora Yin-Wong habe ich vor sechs Wochen als prätentiöse Sound-Art-Wichtigtuerei abgetan und komplett vergessen. Vor zwei Wochen dann aus besagter Label-Loyalität der zweite Durchgang und rumms: üüüübelster Vibe, GÄNSEHAUT unter Tannen, geballte Fäuste bei den zwei Drum-Tracks, ihr kennt das. Die C- und D-Seite ist fairerweise nach wie vor unnötigste Soundschnippsel-Indulgence ohne musikalische Idee, der type of shit bei dem man sich schon im vierten Semester bei Ausstellungen etwas fremdgeschämt hat, aber für mich endet dieses Album eine halbe Stunde früher.
● Vinyl LP Es ist unmöglich klischeefrei über Meitei zu schreiben, weil Meitei auf seinen bisher drei Alben so dermaßen stilbewusst all das aufgreift, was die Welt Japan schon immer neidet. Auch »Kofu« klingt wieder weitgehend als hätte sich Kurosawa damals für die Musik und nicht den Film entschieden, dann choppt da irgendwo auch noch ganz weit weg J Dilla am Firmament von Mönchen gegossene Shellac-Platten und überall ist Wasser und Bambus und Blumen und alles ist rostrot und cremeweiß. Es gibt wenig Platten, die sich so sehr für EINEN Ort entscheiden wie diese hier.
● Vinyl LP Selbst die Geotag-Verortung von »Hotel Nota« fällt schwerer, und dass, obwohl hier schon im Promotext Jon Hassell an den Strand gesetzt wird. Romeo Poirier ist aber vor allem deswegen ein Wahnsinnsproduzent, weil diese Platte bei 3° Celsiusund Nieselregen eigentlich sogar noch härter hittet und sich erst so richtig aus der Suppe all dieser balearischen Halb-Ambient-Platten erhebt.
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● Vinyl LP »Sketches Of Everything« stellte mein kronloyales DDS-Fantum zunächst hart auf die Probe. Jon Collins sprödes Gitarrenspiel und die meist eher dezenten Dub-Drones von Demdike Stare – der Muzak-Strick liegt bereit, unaufmerksam gehört ist das alles in der Tat schnell belanglos. Nach einem langen Spaziergang über den Kölner Melatenfriedhof mit diesem Album habe ich dann aber glaube ich Gott gesehen, oder Herman Hesse, vielleicht auch nur Domian. Seitdem schwöre ich: das ist transzendentaler Scheiß.
● Vinyl LP Während bei Demdike Stare und Collin auf den ersten Blick wenig passiert, passiert auf »Saturday Night« nichts. Die Art und Weise wie Recital-Boss Sean McCann mit seinen Kumpels Matthew Sullivan und Alex Twomey hier mit Zeit umgeht, ist ein ungeheurer Luxus, insbesondere wenn man dem Promotext glaubt, dass bei diesen Sessions in erster Linie Bier getrunken wurde. Die romantischste Avantgarde-Platte seit Jahren und damit natürlich auch wenig überraschend Kollege Kunzes Album des Jahres.
● Vinyl LP Ziemlich genau ein Jahr alt und von mir jetzt erst entdeckt: Wayne Phoenix und dessen kaum 20 Minuten langes Audiosketchbock »Soaring Wayne Phoenix Story The Earth« (hä?), auf dem Phoenix zerrissene Monologe mit rumpeligen Field Recordings, kurzen Beatskizzen und wirklich einfach nur schönen Melodiefragmenen paart und oft so schnell ausfadet, dass man fast nicht checkt wie gut dieses Mini-Album wirklich ist.
● Vinyl LP Auch der König des ungemütlichen Loop-Zerfalls lässt sich auf »Lamentations« weniger Zeit als sonst. William Basinskis neues Album ist vignettenhafter, weniger geduldig und trotzdem wieder vollkommen erhaben über gewöhnliche Musikrezeption. Krass wie gut der in den letzten vier Jahren wieder war.
● Vinyl LP Zum Schluss noch so eine Melatenfriedhof-Epiphanie: Jazz-Institution Lloyd Miller hat ein bisher weitgehend unbeachtetes Album gemacht, gemeinam mit Ian Camp und Adam Michael Terry. Das klingt dann als hätte man Rabih Abou-Khalil, Joe Henderson und die Dwarfs Of East Agouza einander vorgestellt oder einfach wie das Samplematerial für das nächste Ka-Album, wie mir der hier letztes Mal schon erwähnte Kollege Brimmers eben textete.
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