Atom One – Die Dose als Geschichtenerzähler

29.10.2008
Atom One liefert Hymnen ab, die Rap-Fans und hartgesottenen Stahlarbeitern gleichermaßen die Tränen in die Augen schießen lassen werden.

Von ganz wenigen Ausnahmen mal abgesehen: Auch 2008 herrscht in HipHop-Deutschland bislang gähnende Langeweile. Und dabei fehlt es beileibe nicht an Talenten, Motivation, oder Techniken. Es mangelt schlichtweg an echten Persönlichkeiten, an Menschen, deren Geschichten einen bewegen und begeistern, ohne dass konstruierte Images bemüht werden müssten. Too Strong war, ist und bleibt über solche Zweifel natürlich kilometerweit erhaben. »Der Lange« zum Beispiel, schleppt solche Tonnen von Persönlichkeit mit sich herum, dass er sie alleine gar nicht mehr bewältigt kriegt und schickt deshalb sein Alter Ego Atom One ins Rennen, um mit Tales From Da Cans endlich wieder Hymnen abzuliefern, die Rap-Fans und hartgesottenen Stahlarbeitern gleichermaßen die (Freuden-)Tränen in die Augen schießen lassen werden.

Furchtbar, mit so einer Frage anzufangen, es muss aber sein. Warum erscheint die neue Platte Masterpiece unter deinem Sprühernamen? Man könnte z.B. ein Grafitti-Konzeptalbum erwarten… Ist die Umbenennung als Abgrenzung zu deiner Arbeit als »Der Lange« zu sehen?
Atom One: Ja, das stimmt, ich sehe den Langen komplett als andere Person. Das bin ich, oder besser möchte ich sein! Atom One ist der Rebell in mir, der das macht was er kann. Beide Personen machen verschiedene Dinge, nur, dass Atom One im Moment mehr zu sagen hat, als der Lange! Der Lange ist privat geworden. Atom One kann ich nicht verstecken, da ich immer noch aktiv bin, und sowieso jeder mitbekommt, was ich mache. Ich denke es ist auch zu meinem Schutz, wenn ich als zwei Personen am Start bin. So sind Writer halt! Und, natürlich ist es ist ein Konzept-Album, alles was ich sage, hat in irgendeiner Weise mit Graffiti zu tun, auch wenn es mal ein »Lovesong« oder ein Track für meinen Sohn ist. Deswegen heißt die Platte Tales From Da Cans. Jeder Writer, der es lange macht, hat die Sachen auch erlebt, .z.B.: dass deine Frau dich verlässt, weil du nachts nicht neben ihr liegst, sondern mit Kollegen an Wänden stehst und das machst, was dich erfüllt und das was du lebst und liebst.

Im Zusammenhang mit dir fällt immer wieder der Begriff »lebende Legende«. Fühlst Du dich damit wohl, oder klingt Dir das zu antiquiert?
Atom One: Es gibt keine lebenden Legenden. Das machen die Leute aus dir und ich will das nicht sein. Klar ist es geil zu hören, das Leute so über mich denken, aber das hört sich auch so endgültig an. Ich bin noch nicht am Ende, sondern mittendrin und mache nur das, was ich kann und immer so gut es geht. Die Leute, die mich näher kennen, wissen das. Auf dem Track Graff-Gesetze, sage ich, »Fame ist geil, doch er fickt deinen Kopf, der schnelle Griff nach den Sternen macht alles kaputt!« Ich mach das schon alles ein wenig länger, deswegen kann ich das sagen, da ich es selber erlebt habe! Bei Too Strong, haben uns Leute von außen auseinander gebracht, aber die Liebe zur Kunst hat uns wieder zusammengeführt. Stärker als zuvor, wie Doze sagt… Legenden sind Mythos, ich lebe noch, deswegen bin ich nur ein Soldat der für den Hip-Hop maschiert.

Als ihr damals mit Too Strong und der Silo Nation angefangen habt, war euer Ansatz ein vollständig neuer. Siehst du heute noch würdige Nachfolger, die einen ähnlichen Spirit tragen?
Atom One: Too Strong steht dafür, ehrlich zu sein und das was man sagen will auch zu tun; sich nicht zu verstecken; zu sagen »hier bin ich hört mir zu«. Wenn nicht, schreie ich und ihr werdet es hören! Wir wollten damals der Welt zeigen, hier sind vier Jungs aus dem Pott, die auch Hip-Hop machen und das gut, egal ob Rap, Graff-Beats und so weiter. Ads denken führe ich immer auf meinen Solo-Platten weiter, aber es ist egal, ob Doze ein Album macht oder ich, alles ist Too Strong, und alle Platten kommen aus einem Haus. Too Strong ist die Heimat, aber man muss auch mal raus, und das sind die Solo-Sachen von uns! Wenn neue Leute kommen und das weiterführen wollen, bekommen sie jeden Support von uns, egal in welcher Form. Doch meistens trauen sich die Leute nicht zu fragen. So kam es, dass ich ein Interview mit Desasta gemacht habe, wo ich das gleiche gesagt habe. Schon ging es los: nun arbeiten wir eng mit den beiden zusammen, ich, Doze und Too Strong. Momentan mehr mit Brenna, da es meiner Meinung einer der besten Musiker in Deutschland ist! Ich sage gewollt Musiker, weil er mehr kann als »nur Rappen und Beats machen«. Ihr werdet das sehen, spätestens auf meiner Tour! Ich denke, wir haben unser Team wieder und da sind nur neue Leute dabei: Coach aus Rostock, die Jungs von P&S, Skor82, Desasta, Tom Tom, Inferno79. Lasst uns machen, Ihr werdet viel zu Hören bekommen. Der Pott ist wirklich zurück, auch durch Snagga & Pillath, Manuellsen und den ganzen Rest! Alles das ist der Pott, unsere Heimat. Wir sind stolz, hierherzukommen und hier zu leben.

Ich konnte bislang leider nur das Snippet deiner neuen LP anhören. Der erste Eindruck war: Erstaunlich modern, bombastisch und relativ viele gesungene Hooks. Sind solche Entwicklungen als Konzept zu verstehen, oder passiert so etwas einfach aus dem Moment heraus?
Atom One: Solche Sachen passieren einfach, wenn ich was sagen will. Ich denke, es passt besser, wenn jemand oder ich das Ding singt, dann wird es einfach gemacht. Wir sehen uns als Musiker und Rappen ist nur ein Teil davon. Weil es leicht ist, sich so auszudrücken und es die Sprache der Jugend ist, wenn ich die Power habe, meine Stimme auf Platte zu pressen, die dadurch unsterblich wird. Ich versuche, den Jüngeren von uns soviel wie möglich von früher mitzuteilen und nicht nur Müll zu reden wie die meisten anderen, die Erfolg haben. Klar ist es modern, weil ich offen bin für alles. Neue Leute bringen neuen Wind! Trotzdem bleibe ich mir treu und stehe zu dem was ich sage.

Aggression und soziale Kälte waren bei dir und Too Strong immer schon grundlegende Motive. Dagegen wurde aber auch immer ein sehr erwachsener Community-Gedanke gepriesen. Momentan ist Gewalt im Hip-Hop das bestimmende Thema. Was läuft da schief?
Wer sich mit Gewalt einen Namen machen will, macht etwas falsch oder hat den Gedanken, der hinter Hip-Hop steckt nicht verstanden. Aber wie auch, wenn ihn keiner vermittelt. Das, was du siehst, machst du! Deswegen auch der Gangsta-Rap! Hunde, die bellen beißen nicht. Das ist meine Meinung. In Schmerzen, Mein Leben und zum Abschluss meiner persönlichen Erfahrung Schutzengel auf Tales From Da Cans wird alles zu dem Thema gesagt. Ich bin fertig damit und habe abgeschlossen. Mehr möchte ich nicht sagen.

Der staatliche Druck auf Graffiti-Sprayer wird anscheinend wieder erhöht (Polizei-Hubschrauber, der Fall KET in NY etc.). Inwiefern betrifft dich, als jemand, dessen berufliche Existenz auf dem Srpühen basiert, diese Entwicklung?
Atom One: Graffiti wird immer illegal sein, das kann keiner ändern. Ich habe es geschafft, davon leben zu können und es war ein langer Weg und nun genieße ich es! Wenn es mal zu Ende damit geht, mach ich was anderes- Tattoos vielleicht. Props an dieser Stelle an Walde a.k.a. Scum Art, der Tattoo-Mann meines Vertraunes und guter Lehrer… vom Stift! Jeder, der frei sein möchte, nicht jeden Tag das zu tun, was andere ihm sagen, kann es schaffen! Man muss nur daran glauben und die Zeit wird Früchte tragen. Nur die Meisten wollen es sofort und schnell, nur wird das nicht funktionieren.