Daedelus – Konstanz und Progress

12.04.2011
Foto:Sofie Fatouretchi
Als fester Bestandteil der LA-Beat-Szene und jener Gruppe an Künstlern, die sich um Flying Lotus scharen, besticht Daedelus nach wie vor durch Originalität. Valentin Menedetter nutzte in Wien die Chance ihn zu sprechen.

Daedelus ist bei weitem kein unbeschriebenes Blatt, wenn es um Musik geht. Der in Santa Monica, Kalifornien als Alfred Darlington geborene Musiker studierte Jazz an der Thornton School of Music und begann seine Karriere Anfang 2000. Seither macht er Musik und bringt Platten heraus, die einen immer wieder aufs Neue begeistern können. Daedelus steht für einen eigentümlichen Sound, der heraussticht und im HipHop-Genre seinesgleichen sucht. Er verbindet elektronische Musik mit Samples die ihren Ursprung in den 1930er und 1940er Jahren haben. Als fester Bestandteil der viel gepriesenen LA-Beat-Szene und jener Gruppe an Künstlern, die sich unter dem Label Brainfeeder um Flying Lotus scharen, besticht er nach wie vor durch Originalität. Seine Diskografie reicht mittlerweile zehn Jahre zurück. In diesen Tagen veröffentlicht er ein weiteres Album auf Ninja Tune. Im letzten Monat war er gemeinsam mit Tokimonsta in Europa unterwegs. Valentin Menedetter nutzte in Wien die Chance ihn zu sprechen.

Dein Name, Daedelus, er ist ein griechischer Erfinder, ein Mythos, sein Ding ist es Sachen zu erfinden…
Daedelus: Es sind eigentlich zwei Dinge, die ihn kennzeichnen: Er erfindet Sachen und er ist berühmt dafür, seinen Sohn verloren zu haben. Er warnte Ikarus davor, nicht zu hoch zu fliegen, nicht zu nahe an die Sonne und Ikarus stürzt ins Meer und stirbt. Also ist er auch berühmt für seine Tragödie. Sein Triumph und seine Tragödie beschreiben ihn sehr gut, auf solche Sachen geh ich ab.

»Alle lieben Musik, nur das schmutzige Geheimnis ist, keiner will sie kaufen. «

Daedelus
Kannst du dich mit seiner Person identifizieren, als ein Sound-Erfinder?
Daedelus: Ja, ich finde das durchaus passend, es macht Sinn heutzutage, denn man produziert diesen Sound, der sehr ehrlich und in manchen Fällen etwas Neues für die Welt ist. Wenn du wirklich Glück hast, dann entdeckst du vielleicht etwas, das wirklich außerordentlich ist im Vergleich zu den Dingen, die in der Musikkultur verarbeitet werden und zugleich bist du zum Scheitern verurteilt, denn die Musikindustrie ist schrecklich; in der Welt, in der wir leben wurde alles schon einmal gemacht. Das ist was sie dir sagen, es wurde alles schon gemacht. »Warum machst du das, warum machst du diesen Sound?« Es hat keinen Bestand, das ist die Tragödie.

Beide Seiten seines Charakters sprechen dich also an?
Daedelus: Ja, total.

Du hast von der Musikindustrie gesprochen, Teil dieser Industrie zu sein ist demnach eine tragische Sache.
Daedelus: Nun, du hast da diese Kunstform: Musik. Jeder liebt sie, jeder hat seinen Lieblingskünstler und alle hören endlos lange Musik. Jeder Abschnitt unseres Lebens hat einen Soundtrack. Und trotzdem gibt es für einen Musiker, der abseits der Norm produziert nicht wirklich einen Weg seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Gott sei Dank gibt es Downloads und das Internet, das sind die Dinge die es Leuten wie mir, ermöglichen, weiter zu machen. Alle lieben Musik, nur das schmutzige Geheimnis ist, keiner will sie kaufen.

Niemand will dafür bezahlen.
Daedelus: Aber das ist auch in Ordnung. Die Menschen sehen sich die ganze Zeit Kunst an, die Leute schauen sich Architektur an, tagtäglich. Du musst nicht dafür zahlen, dir ein Gebäude ansehen zu dürfen. Da ist schon was dran, trotzdem werden noch Gebäude entworfen. Wir leben in der Musik, wir sind konstant von ihr umgeben – sie ist, was das betrifft, quasi wie Architektur; warum sollte Musik dann nicht auch gratis sein? Ab und zu wird vielleicht jemand dafür bezahlen, dass sie geschrieben oder produziert wird.

Wenn ich richtig liege, hast du deine erste Platte im Jahr 2001 herausgebracht. Wir haben nun 2011, also hast du in diesm Jahr dein zehnjöhriges Jubiläum…
Daedelus: Das ist ziemlich verrückt. Das ist länger als die meisten HipHop-Künstler…

Was kann dich wieder und wieder motivieren Musik zu machen?
Daedelus: Wir haben bereits herausgefunden, dass es nicht das große Geld ist. Ich bin nicht superreich und bade auch nicht in Geld. Ich mache das, weil ich es wirklich will. Ich glaube nicht das jemand Musik wählen würde, um besonders cool zu sein, obwohl es nett ist, wenn Fremde Gefallen an dem finden können, was du tust und ich denke es gibt viele Kunstformen, die das kennen. Natürlich ist das sehr befriedigend, aber es ist nicht alles. Manchmal hat man diese Momente eines starken Anti-Gefühls, genauso aber auch die des Pro. Ich bin ein Süchtiger, keine Besserung in Aussicht, ich gehe auch nicht in Therapie. »Im in it to win it«.

»Ich bin ein Süchtiger nach Musik, keine Besserung in Aussicht, ich gehe auch nicht in Therapie. Im in it to win it.«

Daedelus
Du erfindest dich immer neu.
Daedelus: Ja, soundmäßig. Aber ich habe gewisse Ideen, die mich in einem visuellen Kontext amüsieren. Ich habe zum Beispiel diese Koteletten und ich trage sie sehr bewusst. Es ist nicht nur, dass meine Frau sie mag, was ein Pluspunkt ist, sondern auch die Tatsache, dass sie viktorianisch sind. Sie haben diese Ästhetik des 19. Jahrhunderts. Ich hatte einmal überlegt sie abzuschneiden, sie begleiten mich mittlerweile ungefähr 13 Jahre und warum auch nicht; zugleich dienen sie ihrem Zweck und ich mag sie immer noch. Aber Sound, das ist sehr sprunghaft. Es gibt immer etwas Neues zu tun, und das ist mit einer der Gründe warum die Einordnung »IDM« und »Hip Hop«, die mir oft zugeschrieben werden, nicht wirklich passen.

Ich möchte gerne noch mal den Vergleich mit der Architektur aufgreifen, als Kunstform. Du hast von Gratis-Architektur gesprochen, schließlich befindet sie sich ja im öffentlichen Raum. Jeder geht an Gebäuden vorbei und sieht sie einfach im Vorbeigehen. Inwiefern kannst du einen Vorteil im Konzept von Gratis Musik sehen?
Daedelus: Das ist bereits Realität.

Würdest du deine Musik kostenlos zur Verfügung stellen?
Daedelus: Nun, sie ist ja bereits gratis da draußen! Nicht, weil ich es so möchte… das ist einfach die Welt in der wir leben. Ich werde eine Platte im April herausbringen und sie ist bereits draußen. Leute laden sie bereits herunter. Sie ist verfügbar, das macht die ganze Situation recht schwierig – ich beschwere mich nicht. Ich bin hier, ich spiele eine Show, und ich bin in der Lage auf Tour zu sein. Es ist schwierig, denn Musik ist nicht einfach nur Luft in Schwingungen zu versetzen, es geht nicht um die Wissenschaft an und für sich, die künstlerische Wertschätzung liegt nicht nur im Sound und den Texten die diese Kunstform hat. Aber es ist auch eine temporäre Kunstform, man muss sich die Dinge über eine gewisse Zeit anhören, um eine Vorstellung von dem Sound zu bekommen. Man kann sich keinen Song für 15 Sekunden anhören und der Meinung sein, man kennt den gesamten Song – man muss sich Zeit nehmen, drei Minuten, vielleicht fünf. Eine gesamte Platte hat 50 Minuten. Wann hat sich das letzte Mal jemand eine Platte komplett für 50 Minuten durchgehört…

…ohne Unterbrechung…
…und ohne zwischendurch sein Facebook anzusehen oder sein iPad zu checken? Wir leben in einer sehr kurzlebigen Zeit, und das ist genau das Problem, weil Gratis-Musik bedeutet, dass die Leute den Wert daran vermindern. Dadurch, dass es keine Filter mehr gibt, keinerlei Filter, Geld, Meinung, was auch immer es ist, das einen davon abhält Millionen von Gigabytes von Musik auf ihren Festplatten zu haben. Denn es gibt einfach nicht genügend Zeit, um sich diese Menge ordentlich anzuhören. Die Musik, die ich wirklich zu lieben und immer wieder zu hören gelernt habe, mochte ich anfangs nicht. Ich habe dafür drei oder vier Anläufe gebraucht und aus irgendeinem Grund habe ich mir die Dinge mehrmals angehört. Das ist die Schwierigkeit an frei zugänglicher Musik, dass sie diesen Moment entwertet.