K.I.Z. – »Früher waren die besser«

03.06.2011
Foto:Universal
Auf ihrem neuen Album __Urlaub fürs Gehirn__ stellen K.I.Z. einmal mehr ihre kreative Substanz unter Beweis und machen im Interview der grandiosen Bravo-Charakterisierung alle Ehre, nach der es einst hieß: »Die durchgeknallte Crew«.

Kannibalen in Zivil, Künstler im Zuchthaus, Klosterschüler im Zölibat, Kriegsverbrecher in Zwangsjacken, Kreuzritter in Zentralasien, Killerkommando im Zwiespalt – die Deutungsmöglichkeiten des hell aufleuchtenden KIZ-Akronyms über der Skyline der Hauptstadt ist so mannigfaltig wie die kreative Substanz der Band selbst. Auf ihrem neuen Album Urlaub fürs Gehirn stellen sie diesen Umstand einmal mehr unter Beweis und machen im Interview der grandiosen Bravo-Charakterisierung alle Ehre, nach der es einst hieß: »Die durchgeknallte Crew«.

Die drei Buchstaben eures Bandnamens sind neuerdings gar nicht mehr durch Punkte voneinander getrennt. Was ist damit geschehen?
Maxim: Wir wollten uns mal wieder neu erfinden. Das Weglassen der Punkte steht für die neuen KIZ. Tarek meinte, dass wir schneller werden müssen, um mit der Zeit zu gehen. Wir sind jetzt flotter, weil uns die Punkte regelrecht ausgebremst haben.

Tarek, du hast eure Musik mal mit der Bild-Zeitung verglichen und gesagt, sie sei auf der einen Seite sehr plakativ und holzhammermäßig, auf der anderen Seite aber auch wunderschön bunt und mit nackten Titten.
Tarek: Ja, dazu stehe ich immer noch.
Maxim: Bei uns tauchen aber mehr Schwänze auf als in der Bild-Zeitung.
Craft: Bei der Arbeit an dieser Platte hatten wir tatsächlich nur Titten im Kopf. Seit einem halben Jahr sind wir nicht mehr in der Lage, an etwas anderes zu denken.

Dann scheint euer Erfolgsrezept aber erschreckend einfach zu sein.
Maxim: Ja, das ist es auch. Einfach und genial.

» Bei der Arbeit an dieser Platte hatten wir tatsächlich nur Titten im Kopf. Seit einem halben Jahr sind wir nicht mehr in der Lage, an etwas anderes zu denken.

DJ Craft
Sprechen tut ihr mit der Bild-Zeitung trotz der vielen Gemeinsamkeiten aber trotzdem nicht.
Nico: Das stimmt. Die wollen schließlich bloß etwas von unserem Fame abhaben. Vielleicht ändern wir unsere Meinung aber, wenn das erste Mal ein nackter Typ auf der Rückseite der Bild-Zeitung auftaucht (lacht).
Maxim: Nein – wir mögen die einfach nicht. Das ist aber eine rein persönliche Abneigung und hat keinen politischen Hintergrund. Mir gefallen einfach deren Farben nicht: Rot, Schwarz und Weiß – das erinnert uns an irgendetwas.

Im Titeltrack der Platte habt ihr eure Zielgruppe recht schön zusammengefasst: Echte Männer, Nutten und Hausfrauen. Gibt es noch eine andere Bevölkerungsgruppe, an die sich eure Musik explizit richtet?
Craft: Gestörte Jugendliche…
Tarek: …sowie Juden, Zecken und Schwuchteln (allgemeines Gelächter). Damit wäre alles abgedeckt.

Am 08. März dieses Jahres habt ihr anlässlich des Weltfrauentages in Berlin ein Konzert nur für Frauen gegeben. Haben sich da eigentlich viele hingetraut?
Maxim: Allerdings. Und damit haben wir bewiesen: Wenn Frauen sich richtig verhalten und die Regeln akzeptieren, dann kann man sie auch mal alleine ausgehen lassen.
Tarek: Die Mädels wurden allerdings ständig von ihren Typen angerufen, weil die sich Sorgen gemacht haben. Das hat extrem genervt.
Maxim: Man hat ständig irgendwelche Mädchen in ihre Handys sagen hören: »Ja, ich dich auch.« (lacht)
Craft: Das war aber trotzdem schön. 600 Frauen im Lido. Ausverkauft. Die Frauen waren auch sehr textsicher.
Maxim: Und sexsicher (Gelächter).

Wie muss man sich das vorstellen, wenn ihr ein fertiges Album eurer Plattenfirma vorstellt? Fangen die Label-Verantwortlichen bei bestimmten Textstellen an zu erröten?
Craft: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Fragen uns eher: »Wäre das nicht noch härter gegangen?« Die Leute bei Universal wollen von uns immer den ganz harten Scheiß. Das sind alles Freaks in dem Laden.
Maxim:* Denen geht es eher um Image und Karma, das sie sich durch solche Acts wie Killerpile kaputt machen. Deshalb brauchen sie uns, um sich wieder zu rehabilitieren.

Es mutet fast ein wenig verwunderlich an, dass keine eurer Platten bisher indiziert wurde. Wie erklärt ihr euch das?
Maxim: Es wäre ja mal fast so weit gewesen. Unsere ersten drei Alben sollten alle in einem beschleunigten Verfahren erst ab 18 Jahren erlaubt werden. Unser ehemaliger Label-Chef Staiger und ich sind dann mit unserem Anwalt zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gefahren, ich habe den netten Schwiegersohn raushängen lassen und damit war das Thema dann vom Tisch. Die meinten: »Deine Musik ist zwar grausam, aber du bist voll süß.« Dann habe ich mit der Vorsitzenden geschlafen und das Ding war geritzt (grinst).

Worte wie »Nutte«, »Schwanz« und »Fotze« sind im Rap ja mittlerweile fast schon Standard. Habt ihr das Gefühl, dass man immer expliziter werden muss, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden? Oder wäre es schockierender, mal komplett auf Fäkalsprache zu verzichten?
Maxim: Man ist ja nicht explizit durch irgendwelche Wörter, selbst wenn Wörter wie »Endlösung« auch heute immer noch knallen. In der Regel reicht ein Wort alleine aber nicht aus, um zu schockieren.

Sondern?
Maxim: Man wird ja nicht indiziert, weil man »Fotze« oder »Pimmel« sagt. Deswegen wird man bloß nicht im Radio gespielt. Man wird deshalb indiziert, weil man das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennt, Minderheiten herabsetzt usw. Schließlich ist das Herabsetzen von Minderheiten immer noch Aufgabe des Staates, das sich der Staat nicht nehmen lassen will (lacht).

» Ich brauchte auf dem neuen Album schließlich noch etwas, das sich auf †ºins Gesicht gefurzt†¹ reimt (lacht). Haftbefehl ist allerdings noch geiler: Der reimt †ºMissgeburt†¹ auf †ºDüsseldorf†¹.«

Maxim
Ihr habt mal gesagt, dass an harter Sprache prinzipiell nichts Falsches sei, solange man dabei originell bleibt. Auf ein plumpes »Nutte« oder »Fotze« würdet ihr demnach verzichten, wenn es nicht originell eingesetzt wird?
Nico: Nein. Manchmal kann das auch funktionale Gründe haben – wenn man zum Beispiel einen Reim braucht. Da braucht man dann manchmal auch Worte wie »Missgeburt«.
Maxim: Eben. Ich brauchte auf dem neuen Album schließlich noch etwas, das sich auf »ins Gesicht gefurzt« reimt (lacht). Haftbefehl ist allerdings noch geiler: Der reimt »Missgeburt« auf »Düsseldorf«. Sehr cool.

Oberflächlich betrachtet geht es auf euren Alben traditionell viel um Sex und Gewalt. Sind das notwendige Türöffner, mit denen man die Köpfe der Leute auch für politische Inhalte aufbekommt?
Maxim: Wieso? Das Propagieren von Gewalt und Sex sind unsere Inhalte. Wir assoziieren alles mit Gewalt und Sex. Ich stelle mir zum Beispiel gerade vor, dass ihr alle nackt seid.

In der Presseinfo zum neuen Album wird angemerkt, dass ihr den Spaß zurück in den Rap gebracht hättet. Gegen den Begriff »Spaßrap« habt ihr euch trotz der humoristischen Komponente in eurer Musik jedoch immer gewehrt. Was stört euch konkret an dieser Bezeichnung?
Maxim: Spaß klingt zahnlos. Das klingt nach: »Ich will dich mal kurz unterhalten, aber ich habe nicht vor, den König zu köpfen.« Das finde ich aber langweilig und öde. Wir wollen den König köpfen. Und Prinz William ist der nächste.

Ein Song auf der neuen Platte heißt H.I.T.. Darin gibt es auch die Textzeile »Wir waren die ersten hier, Clown-Rap auf deutsch/denn du musst auch albern sein, wenn der Beat nicht mehr läuft.« Das ist dann wohl eure Antwort auf das Stigmata der ewig Lustigen.
Maxim: Wir mokieren, dass viele nach außen hin lustig wirkenden Leute in Wirklichkeit häufig totale Trauergestalten sind. Die Zeile ist also durchaus ernst gemeint.
Tarek: Es ist doch immer so: Sobald es geplant wirkt, kommt es einfach nicht mehr cool. Es muss zwar nicht alles spontan sein, aber spontan wirken. Und wenn jemand über sich selbst sagt, er sei krass witzig, dann ist er es meistens sowieso nicht.

Was glaubt ihr, mit was für einem Gedanken die Platte einen nach dem ersten Durchhören hinterlässt?
Craft: Früher waren die besser.
Nico: Zum Glück habe ich mir die nicht gekauft.