The Drums – Gestern ist heute

15.09.2011
Ihr offensichtlicher Umgang mit der Musikgeschichte, das intuitive Verkörpern von Posen, Gesten und Haltungen verbunden mit einer die Vergangenheit ins Heute projizierenden Musik machte The Drums zu einem __der__ Hypes der letzten Monate.

Die Brooklyner Szeneband The Drums hat ein neues Album heraus gebracht. Auf Portamento zelebrieren sie immer noch den minimalistischen Sound der Anfangstage. Viel interessanter als ein neues Album sind The Drums allerdings als Gesamtphänomen. Denn die Berufsjungspunde sind ein besonders aussagekräftiges Beispiel für die »Retromania«, die der britische Musikjournalist Simon Reynolds unserer Zeit unterstellt. Er sagt, dass die aktuelle Retrobesessenheit keiner erkennbaren Logik mehr folgt. Und: Dass eine bestimmte Dekade ihr eigenes Revival in der Musik feiert, die Siebziger sich z.B. von den Fünfzigern inspirieren lassen, das wäre vorbei. Schaut man sich The Drums an, wird das evident. Ihr Sound und – fast noch wichtiger – ihre Ästhetik sind nicht aus einem bestimmten Jahrzehnt oder einer einzigen Stilrichtung zusammengewürfelt, sondern enthalten eine Unzahl klarer Anspielungen und Verweise auf diverse Vorläufer. Die schließlich so zahlreich sind, dass man komplett den Überblick verliert. Aber The Drums sind kein maschinelles Produkt! Ihr Mix ist, obwohl – oder gerade weil – er so viele Zitate umfasst, sehr bedacht ausgewählt. Ihre Musik ist extrem einfach gehalten, und lässt sich nicht simpel berechnen, indem man, nur um ein Paar der vielen zu nennen, The Cure, die Beatles und Joy Division in den Rechner eingibt.

Reduktion aufs Surfen
Mit Let’s Go Surfing hatten sie vor zwei Jahren einen Überhit gelandet. Eine Hymne mit viel Hall auf der Stimme, die zeitweise an Peter, Bjorn & Johns Young Folks, dann wieder an die Beach Boys erinnerte. Letztere lagen natürlich nahe, wenn man dann auch noch seine anderen Songs Down By The Water oder Submarine nennt. Aber wie von Brian Wilson bekannt ist, dass er den Strand eigentlich hasst, erschien auch der ewige The Drums-Beach Boys-Vergleich zu abgegriffen. Man selbst sah sich lieber in einer Linie mit Joy Division und wollte sich nicht auf irgendeine Life-is-easy-Schiene reduzieren lassen. Man nahm sich schließlich als ernsthafte Künstler wahr. Die internationale Megalomusikpresse (NME, Pitchfork etc.) lobte sie dafür in den sogenannten Himmel. Im Video zu Let’s Go Surfing laufen die Drums, ihr blonder Sänger Jonathan Pierce voran, einen nächtlichen Strand entlang und gucken dabei ernst in die Kamera.

Die Anspielungen und Verweise sind so zahlreich sind, dass man komplett den Überblick verliert.

Das alles entspricht einer, ihrer, ganz bestimmten Ästhetik – irgendwie Mod, irgendwie Collegekid, irgendwie Hipster, irgendwie Beatle –, und so wirkten The Drums immer extrem Zitat-durchgestylt. Fast noch deutlicher wird das beim Video zu Best Friend, in dem Pierce den simplen Gitarre-Bass-Schlagzeug Sound mit einer wirklich beeindruckenden Performance unterlegt: einem Zwittertanz aus Ian Curtis’ eigenwilligen Bewegungen und Mick Jaggers eleganten Bühneneinlagen. Eigentlich sind The Drums wie Vampire Weekend, bloß, dass sie in diesem Vergleich ein weniger renommiertes College besuchten, und während Vampire Weekend den Abschluss in »Sophisticatedness« ablegten, haben The Drums das College bald abgebrochen, um eine eigensinnige Musikkarriere zu starten.

Das war letztes Jahr!
Das hat mit der ersten EP Summertime! (2009) und auch mit der ersten selbstbetitelten LP noch wunderbar funktioniert. Das war letztes Jahr. Da war das noch okay. In diesem Jahr hingegen klingt das ein wenig gelangweilt. Sie hatten sich vollends auf das Spiel mit den Musiktrends eingelassen, dabei alles auf eine Karte gesetzt. Nun ist ihre Musikästhetik aus der Mode gekommen. Und die bedeutsamen Melodien, die man auf Summertime! noch hörte – wie das The Cure-lastige I Felt Stupid –, scheinen ihnen nicht mehr recht einfallen zu wollen. Das Songwriting stagniert. Teilweise findet man dann elektronische Songs, aber auch das vermag nicht zu kompensieren. Zwischendurch hört man einen guten Song, aber der scheint mehr nach dem Zufallsprinzip entstanden als gewollt. Einzig die erste Single Money sticht wirklich positiv heraus. Ein Eins-A Smiths Song mit quirliger Gitarre. – Als Gesamtkunstwerk-Zeitgeist-Ding sind The Drums interessant. Intelligent scheinen sie auch. Eigentlich beste Voraussetzungen, um zu wissen, dass man sich im Pop bald neu erfinden muss, um wieder eine interessante und gute Platte aufnehmen zu können.