Find it at hhv.de: CD | LP Wann wird nur wieder Ruhe einkehren? Lana del Rey ist derzeit omnipräsent. Was so über die 25-jährige Tochter eines Multimillionärs aus Lake Placid mit abgeschlossenem Philosophiestudium zu erfahren ist, fassen die Kollegen Timo Feldhaus und Jan Wehn auf S.31 der neuen de-bug zusammen: »das Retromanie-Rolemodell mit der Hollywood-Sehnsucht in den smokey Eyes. Ein White Trash Vamp mit Hang zu Tumblerism, grob verortet zwischen Film Noire und Nostalgia. Eine sexelnde Samplequeen, der Hype des Herbstes 2011 und natürlich ein gefundenes Entmystifizierungsfressen für nörgelnde Nerdblogs.« Die Spex ergänzt auf S.19 ihrer neuesten Ausgabe dann noch den Gender-Aspekt: »Lana del Rey hat etwas Transvestitenhaftes, gerade weil sie die Geschlechter-Stereotype derart ausstellt. Die Wimpern, die Lippen, die Nägel, die Haare, das Kleidchen: ›That’s alright, dear‹, flüstert sie einmal in falschem britischen Akzent. Geht es schwuler?« Überhaupt neigen die deutschen Gazetten dazu das Phänotypische zu thematisieren (»erzkonservative Männerphantasie«), um damit Rückschlüsse darauf zu ziehen, was denn das nun über unsere Gesellschaft aussage. Ähnliches passiert mit dem beschworenen Retro-Zauber. Dagegen ziehen die englischsprachigen Magazine eher Schlüsse auf die Musik. Inhaltlich interessieren sie sich auch mehr für das von Lana del Rey verkörperte Wechselspiel zwischen Realität und Inszenierung. Das liest sich in Kombination dann mal ironisch konnotiert wie bei Kitty Empire in The Observer, die erkennt, dass sich die Gegner von Del Rey besonders dem »dead behind the eyes« der Sängerin widmen und darin den Beweis sehen »that she is a pneumatic marionette programmed to mouth commercial noir-pop songs by an evil industry cabal hellbent on outwitting a noble and sincere public.« Oder wie bei Krystina Nellis in Drowned in Sound: »If you ask me, I reckon the girl doesn’t know whether she wants to be a classic Hollywood glamourpuss or a modern pop star, so she’s doing both at once.« Und musikalisch werden durchaus Schwächen ausgemacht. Alexis Petridis vom Guardian sieht diese nicht im Sound von Born To Die und auch nicht in ihrem Gesang , sondern in den Lyrics, denn zu sehr versuche Lana del Rey die in Video Games aufgebaute Kunstfigur am Leben zu halten. »The problem is that Del Rey doesn’t have the lyrical equipment to develop a persona throughout the album.« Er rät daher: »The best thing to do is ignore the lyrics.« Und Lindsay Zoladz zeigt sich bei Pitchfork unzufrieden mit der weiblichen Rolle, in die sich die Sängerin textlich begibt: »You’d be hard pressed to find any song on which Del Rey reveals an interiority or figures herself as anything more complex than an ice-cream-cone-licking object of male desire (a line in Blue Jeans, »I will love you till the end of time/ I would wait a million years,« sums up about 65% of the album’s lyrical content).« So schließen wir mit dem Satz, der auch mir zum Album von Lana del Rey eingefallen wäre: »[Es] [b]leiben zwei große Songs, vorerst.«
Find it at hhv.de: CD | 2LP Your Rating?: Go to Review Schnell zu einer Inszenierungsleistung der ganz anderen Art. »Marsimoto ist für Marteria, was Slim Shady für Eminem war: Ein Alter Ego, in das sich die seelischen Abgründe des Rappers prima verbannen und dann verarbeiten lassen. Gut, Slim Shady wollte seine Mutter und seine Ex-Frau abmurksen, Marsimoto will dagegen nur einen durchziehen.« Zwei Drittel der Texte zu Grüner Samt beginnen dann auch mit den Worten: »Endlich wird wieder gekifft!« Danach kommt dann meist auch schon die Relativierung, ganz im Sinne von Mechthild Dyckmans. So erkennt die Backspin darin Musik »zum Chillen, zuhören und nachdenken. Vor allem zwischen den Zeilen. Und das geht auch ohne Gras. Das ist Fakt.« Und auch Dominik Lenze sieht auf rap.de, dass »die Musik ohne Rauschzustand [nicht] unerträglich wäre«, um sich dann doch zu wünschen, etwas Gras im Haus gehabt zu haben. »Nun denn, dann muss das Werk eben mit nüchternem Kopf gehört und besprochen werden.« Dass das den meisten Rezensenten hierbei schwerzufallen scheint, unterstreicht Klaus Buchholz für die österreichische The Gap. Da hapert’s dann nicht nur beim Albumtitel: » Grünes Gold (sic!) ist auf höchstem Niveau albern und bei all der verdrehten Ironie zielsicher auf den Punkt gebracht. Der neue Maßstab für Realness im schillernden deutschen Hip Hop heißt fortan Surrealismus.« Daran muss ich mich erst noch gewöhnen.
Find it at hhv.de: CD Vielseitig diskutiert wurde in der englischsprachigen Presse im letzten Monat das neunte Album von Common. Zunächst wurde allerorten die Rückkehr von No I.D. als Produzent an Commons Seite begrüßt, mit dem er zuletzt 1997 auf _One Day It’ll All make Sense: zusammengearbeitet hat. No I.D. hat in den letzten zwei Jahren eine Renaissance erlebt, und, wie Pitchfork feststellt, »he’s become what DJ Premier used to be: the guy you hire when you want to cozy up to Unimpeachable Authenticity.« Gestritten wird also vielmehr über Common, also darüber, ob das, was Common als Rapper und Storyteller hier anbietet, Qualität hat. Während der britische The Independent euphorisch frenetisch jubelt (»Elsewhere, Common offers further lessons in how to boast without disrespecting others, by making emancipation the subject, rather than aggrandisation.«) spricht der amerikanische Rolling Stone dem Chicagoer die Innovation ab (»But Common can be too, well, common: a nice guy, whose boasts and bromides are too predictable to really inspire.«). Richtig ins Detail geht dabei David Amidon für popmatters.com und lässt seiner Enttäuschung freien Lauf: »Opener The Dreamer is another track with some cringe-worthy lines like ›tried to fuck the world she only let me finger‹ and ›a hero, I’ll drop out like Hiroshima‹ just a line apart. And this is one of the better tracks for Common! […] It’s nothing you’re going to put in Common’s upper tier of classics, and no doubt it’s disappointing to hear him say many of the things he says here.« Mit denselben Komponenten, nur positiv gewendet, argumentiert Jayson Green für Pitchfork: »But the reason The Dreamer/The Believer sticks – and it does – isn’t because Common reclaims some musty real-dude credentials he never had: It’s because something seems to have reminded him that he’s not a persona, but a real, blood-pumping human.« Die Meinungen bleiben geteilt.
Find it at hhv.de: CD | 2LP Your Rating?: Go to Review »Mein Ziel ist es, hochwertigen Klangpop mit intellektuellem Anstrich zu verfassen – zu dem man trotzdem noch tanzen kann«, gibt Wouter de Backer (aka Gotye) für die Berliner Morgenpost zu Protokoll und ergänzt: »Ich denke, ich eifere in erster Linie Peter Gabriel und Kate Bush nach.« Damit bestätigt er sich selbst in jener Reihe von Musikern, die behaupten Pop und Anspruch zusammenzudenken und in der auch Sting, George Michael und Hall & Oates sich gerne stehen sehen. Man kann es aber auch formulieren wie The New York Times, die die Musik des Belgoaustraliers beschreibt als »[it] merges catchy gizmo-loving pop constructions with a stalwartly depressive mindset.« Jedenfalls scheint in dem Mosaikartigen seiner Musik, das ganz unterschiedliche Einflüsse in einen Wohlfühlmantel hüllt, für viele Rezensenten etwas Reizvolles (»This […] album is filled with special, if not quite as special, moments.«) zu liegen. The Boston Globe gibt zu Protokoll : »If there is a problem to Making Mirrors […] at least it’s a fun one to figure out: how to process the album’s highly likable genre-hopping pop with its blatant vibe-siphoning from long-gone eras across the FM dial?« Und auch Pitchfork erkennt in der überbordenden Kreativität von Gotye (sprich: Gore-ti-yeah) die Qualität, »yet it’s his arty restlessness that will continue to keep him interesting.« Wenn sich allerdings der Schwulst schon in den Sätzen der Rezensenten niederschlägt, wie hier in Die Zeit, die schreibt, dass seine Songs »aus der Verbindung von Bastelarbeit und übergreifender Struktur aus Popmuster und Konventionsbruch im Detail« ihren »Zauber« (!) beziehen, bin ich – schwuppsdiwupps – ent-zaubert.
Find it at hhv.de: CD | 2X10inch Your Rating?: Go to Review Haben wir eben schon Themen wie Mystifizierung, Rauschzustände, Authentizität und achronologische Achterbahnfahrten durch die Popmusikgeschichte anhand verschiedener Releases besprochen, kommen wir nun zu Sumach Ecks (aka Gonjasufi), dessen Musik all das o.g. zusammenbringt. Für die meisten Rezensenten ist Mu.zz.le »an enticing, intoxicating, at times uncomfortable record« »sounding like a lost David Axelrod score pecked at by vultures.« Konkretisierend könnte man es wie Simon Garner für The Quietus sagen: »The effect is that of being dragged into the dusty Memory Palace of a man at war with himself, uneasy and fragile. Time dilates and stretches as Ecks rails against the devil, God, society, the greedy and ultimately his own failings.« »[T]he record is a testament to Eck’s clear-headed connection to the deep and dark regions of his mind, and the light he’s built there«, ergänzt The Fader und motor.de bescheinigt dem »Schamane[n] der experimentellen Patchwork-Musik« »[ ]eine ganz eigene Form der Freimachung, des musikalischen Protests.« Für Nicholas Preciado von beatsperminute.com sind die 25 Minuten aber nicht stimmig genug (»It feels rushed and incomplete« ) und er bemängelt außerdem das Fehlen von The Gaslamp Killer und Flying Lotus, die Gonjasufis Debüt A Sufi And A Killer einst mit fernöstlichen Samples, wonky beats und halluzinogener Psychedelic veredelten. »All of that is missing [here]. What listeners receive instead is the hollowness of an empty cage.« Doch The Guardian widerspricht vehement: »But it’s Gonjasufi’s voice that hypnotises: looping from a honeyed croon to a lead-heavy growl, it gives succour and pause for thought to those who find living uneasy.« Und auch popmatters.com und Pitchfork stimmen in diesem Kanon ein: »Even listeners already familiar with Gonjasufi’s work will be amazed at the sheer versatility of this guy’s voice«, »which is still a hell of a thing.« So können wir das stehen lassen.
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