Mary Anne Hobbs – Frauen mögen Bass

16.11.2009
Mittwoch, zwei Uhr morgens: Bei BBC Radio 1 Zeit, Weltbilder zu verschieben. Zwischen all dem Chaos beschwört eine helle Stimme die Klangwelt vom Subbass bis zum 8-bit-Fiepen. Die Zeremonienmeisterin heißt Mary Anne Hobbs.

Mittwoch, zwei Uhr morgens: Bei BBC Radio 1 Zeit, Weltbilder zu verschieben. Ungleiches prallt auf-einander und verschmilzt. Ungehörtes lässt den Horizont erschüttern. Und zwischen all dem Chaos beschwört eine helle Stimme die Klangwelt vom Subbass bis zum 8-bit-Fiepen. Die Zeremonienmeisterin, die den bewusstseinserweiternden Sud anrührt, heißt Mary Anne Hobbs. Die musikalische Karriere der 1964 geborenen Engländerin begann dabei geerdet verrockt. Nach der Land-flucht nach London mit 18 Jahren lebte sie ein Jahr mit einer Hardrock-Band in einem Bus. Irgendwann be-kam sie den Fuß in die Türen vom Sound Magazine und NME. Dann erste Moderationen bei den Radios BBC GLR und XFM, bevor sie 2001 die BBC Radio 1 Rock Show übernahm. Zwei Jahre später drehte sie eine TV-Serie über die weltweiten Biker-Kulturen. Eines ihrer bezeichnenden Eigenschaften ist denn auch, dass sie wirklich jedes Motorrad unter ihrem Hintern im Griff hat. Nur wie zur Hölle verhilft diese Rockgöre und Biker-braut 2007 dem Dubstep zu weltweiter Beachtung?

»»Roni Size behauptete einmal, Frauen mögen Bass, weil dieser ihre Eierstöcke zum Vibrieren bringt. Ich glaube, er hat recht!«

Mary Anne Hobbs
Es war einmal John Peel
Dazu ein Stück Radiogeschichte: 1967 begann ein Mann namens John Robert Parker Ravenscroft, die Ra-diowelt neu zu definieren. Bei dem 28jährigen gab es einfach keine Genres. Weil sein Name so umständlich war, nannte er sich kurz John Peel – und wurde damit zum wohl größten Radiomoderator aller Zeiten. In den 1970er Jahren hockte Mary Anne Hobbs deshalb nachts unter ihrer Bettdecke und lauschte John Peels un-gehörten Klängen. John Peel wurde ihr Mentor und Erbe. »Ich gehe an Musik genau wie John Peel heran. Ich halte stets Ausschau nach etwas Brandneuem und Elementaren. Das kann extremer Avantgarde-Metall sein oder ganz fragile Electronica«, erklärt Mary Anne Hobbs. Parallel zur Rock Show startet sie deshalb 2001 eine Sendung über die Winkel der elektronischen Musik. »Breezeblock« heißt ihre wöchentliche Show, bevor sie 2006 in »Experimental« umgetauft wird, die nun jede Mittwochnacht auf BBC Radio 1 läuft. Seit dem über-raschenden Tod John Peels 2004 ist sie die legitime Nachfolgerin des großen DJs und Moderators und trägt unbeirrt neue Musik in die Welt.

Hinterm Subbass-Horizont geht’s weiter
Ihr ist es zu verdanken, dass beim Sonar Festival 2007 Dubstep erstmals Tuchfühlung mit der großen Welt aufnahm. In den letzten drei Jahren trug sie die Subbass-Botschaft mit so ziemlich allen Heroen des Dubstep in die Welt. Im Radio und hinter den Plattentellern. Und stellte nebenbei eine der besten Compilation-Reihen am Subbass-Horizont zusammen. Auf Planet µ erschienen 2006 und 2008 mit »Warrior Dubz« und »Evange-line« zwei großartige Compilations, welche die weite Welt im Subbass abtasteten. Und gerade weil sich die Auswüchse der Bassmusik mittlerweile seit fast einem Jahrzehnt ganz ungezwungen vor allem am britischen Ufer tummelte, sind für Mary Anne Hobbs noch lange keine Grenzen in Sicht. »Elektronische Musik bewegt sich jeden Tag in Abertausenden kleiner, zerstreuter Schritte vorwärts. Ich versuche, diesen Fortschritt zu begreifen und mit ihm Schulter an Schulter weiter zu reisen. Man weiß nie, was hinter der nächsten Ecke wartet.« Ein logischer Schritt ist deshalb ihre aktuelle Compilation »Wild Angels«, die mehrere Seitenblicke in die aufblühende amerikanische Bassszene wirft. »[Es] ist eine Kollektion voller Zukunftsklänge von transat-lantischen Produzenten, die neue Verbindungen zwischen Dubstep, HipHop, Soul, Folk und Electronica er-schaffen.« Mit Hudson Mohawke, Rustie, Darkstar, Mono/Poly, Nosaj Thing sowie Starkey und einigen mehr breitet Mary Anne Hobbs über 18 Tracks (auf der Vinylversion finden sich leider nur acht Titel) das ganze Spektrum des Subbasses aus. Und das dürfte noch immer nur der Anfang sein. Denn ganz im Sinne der Er-kenntnis, dass Bass schlicht sexy mache, weiß auch Mary Anne Hobbs, weshalb sie nicht locker lassen wird: »Roni Size behauptete einmal, Frauen mögen Bass, weil dieser ihre Eierstöcke zum Vibrieren bringt. Ich glaube, er hat recht!«