Kool Savas – »Eine korrekte Runde«

21.11.2007
Nach über fünf Jahren Wartezeit bringt der selbsternannte »King of Rap« Kool Savas sein zweites Soloalbum raus. Was Savas wissenswertes über sein Album und andere Dinge zu sagen hatte, außer dass das Album wirklich wichtig ist: lest selbst.

Nach über fünf Jahren Wartezeit veröffentlicht der selbsternannte »King of Rap« Kool Savas sein zweites Soloalbum »Tot oder lebendig«. Wie relevant dieser Künstler und dieses Album noch immer ist, durfte ich dann an meinem eigenen Leib erfahren, als es plötzlich hieß, dass das eigentlich in drei Wochen pünktlich zu listening session angesetzte Interview am nächsten Tag geführt und am besten auch fertig getippt sein sollte. Nur damit es ja noch den Weg in diesen Katalog findet. Also hieß es ohne auch nur eine einzige Sekunde vom Album gehört zu haben, ein Interview mit Kool Savas zu führen. Leider auf Kosten eines sehr interessanten und ausführlichen Interviews mit Separate. Was jedoch Savas wissenswertes über sein Album und andere Dinge zu sagen hatte, außer dass das Album wirklich wichtig ist…

Du hast einmal erwähnt, dass dir der Entstehungsprozess von z.B. der »John Bello Story« leichter fiel und dass das viel mehr Spaß gemacht hat, als der bei deinem neuen Album. Woher kommt dann die Motivation dieses zweite Soloalbum zu machen? Waren da so viele Sachen, die zu gut für ein Mixtape waren oder kam das auf Grund der großen Nachfrage?

Kool Savas: Beim Mixtape ist es natürlich viel einfacher in kurzer Zeit, etwas fertig zu machen und kurz danach dann schon die Ergebnisse zu haben. Da kann man dann an einem Tag locker vier, fünf Songs aufnehmen. Es ist dabei nicht so, dass man sich weniger Mühe gibt, aber man versucht dann auch nicht mit jedem Track etwas richtig Außergewöhnliches und etwas Non-plus-ultra-mäßiges zu machen. Da macht man dann einfach das, was einem in dem Moment Spaß macht und in den Sinn kommt. Meistens werden die Sachen auch nicht mehr verändert und die Songkonzepte nicht mehr überdacht. Es ist einfach eine sehr lockere Sache. Zudem entfällt z.B. auch die Beatsuche. Zur Not werden halt einfach Ami-Beats verwendet. So ein Mixtape kann man schon mit einer Klassenfahrt vergleichen, weil man völlig druckfrei zusammensitzt, die ganze Zeit nur aufnimmt und dabei jede Menge Spaß hat. Denn an ein Mixtape hat man nicht so riesige Erwartungen wie an ein Album, bei dem man z.B. sagt, dass es jetzt besonders zeitlos sein muss.

Und weshalb nun das Album?
Kool Savas: Die Gründe dafür sind vielseitig: Einerseits war natürlich schon eine sehr große Nachfrage. Andererseits was es für mich persönlich auch wieder an der Zeit etwas für mich selber zu machen, auf dem ich das, was die letzten Jahre passiert ist, reflektieren kann. Dann ist es auch so, dass ich den Fans endlich wieder etwas von mir geben kann, was jetzt nicht auf Mixtape-Niveau ist, was ein Stück Musik ist an dem sie sich festhalten und noch lange Zeit mit beschäftigen können.

Aber sind diese Mixtapesachen nicht auch eine kleine Abzocke gegenüber den Fans, wenn man denen jetzt so etwas »halbherziges« verkauft?
Kool Savas: Nee, das ist es ja überhaupt nicht, das ist ja sogar etwas sehr Herzliches bei dem man viel Spaß hat. Es ist halt mehr Entertainment und viel lockerer und im Endeffekt werden die Leute ja auch nicht gezwungen, das zu kaufen. Die hören sich das an und wenn es die interessiert, dann kaufen sie es und sonst halt nicht. Ich kann mir Ami-Mixtapes auch nicht großartig anhören. Aber es gibt Künstler von denen ich sogar die Mixtapes interessanter als die Alben finde. Am Ende des Tages ist das eine Geschmacksfrage. Zudem werden die Mixtapes meistens auch günstiger verkauft und von daher denke ich nicht, dass das Abzocke ist, die sind halt auch immer Stand der Dinge. Bei einer Album-Produktion muss zudem viel mehr Geld hineingesteckt werden. Dagegen ist so ein Mixtape leichter und günstiger zu produzieren. Was die Qualität der Mixtapes anbelangt, bin ich auch immer sehr zufrieden. Ich würde nie etwas veröffentlichen, bei dem ich qualitativ nicht dahinter stehen würde.

Wie sieht es denn bei deinem neuen thematisch aus: Wurde da mehr Wert auf Battle-Tracks oder mehr Wert auf persönliche Tracks mit Inhalt gelegt?
Kool Savas: Das kann ich so gar nicht sagen. Wenn ich einen Reim schreibe ist es für mich in erster Linie ein Battle-Reim, weil die Welt einfach so aufgebaut ist, dass man fast immer in der Ich-und-Du-Variante spricht. Storytelling ist zwar auch vorhanden, bleibt aber eher die Ausnahme. Das Album habe ich einfach aus meiner Perspektive heraus geschrieben, also automatisch über die Sachen, die mich in dem Moment interessiert haben. Ob dieses nun Rap-bezügliche Sachen sind und vielleicht als Battle-Track ausgelegt werden können oder ob das sozialkritischere Dinge oder nur persönliche Dinge sind: das spielt da keine Rolle. Selbst wenn man denkt, dass es sich um einen Battle-Track handelt, hört man in dem Moment, in dem man genauer hinhört, dass ich trotzdem viele Sachen erwähne, die mit mir persönlich zu tun haben. Egal ob das nun Erlebnisse oder Dinge sind, die meine Meinung ausmachen und in den Tracks einfach vorkommen, das sind nun mal Dinge, die verarbeitet werden müssen. Ich schreibe die Dinge aber jetzt nicht so, als wenn ich jemandem gegenüber stehe und dann mit diesem 1-gegen-1 battlen will.

Was ist der Grund dafür, dass keine Features auf dem Album sind? Lag es daran, dass du möglichst viel von dir preisgeben wolltest?
Kool Savas: Ein einziges Rap-Feature ist jetzt doch von Azad drauf. Das wird der einzige Gast sein, der neben Moe Mitchell, der mich gesanglich unterstützen wird, auf dem Album vertreten sein wird. Der Grund für die wenigen Features ist einfach der, dass ich denke, dass ich schon genug mit anderen Künstlern zusammengearbeitet habe und es jetzt an der Zeit war wieder etwas Eigenes zu machen. Zudem bin ich ja noch mit den Sachen auf Tour und hab dann keine Lust immer nur halbe Songs zu performen. Außerdem gibt es bestimmt auch Leute, die mich einfach mal alleine auf einem Song hören wollen. Das ist dann auch einfach fair für die, wenn die dann auch wirklich nur mich bekommen. Und für die Leute, die lieber das Crew-Album haben wollen, für die haben wir ja letztes Jahr den »Optik Takeover«-Label-Sampler gemacht. Aber wir haben halt auch Sachen, auf denen jeder für sich alleine steht.

Bei MyVideo hast du einen Videoblog zu »Tot oder lebendig«. Im ersten Teil rappst du dann auch einen Part aus einem unreleasten Song vor, der jedoch komplett zensiert wird. Ist diese Geheimhaltung wirklich nötig oder war das nur so ein kleiner Spaß, den ihr euch da erlaubt habt?
Kool Savas: Bei mir ist es meistens so, dass ich das sehr geheim halte. Mein Label – also die BMG – die haben noch nicht mal eine Kopie vom Album bekommen. Genauso wenig wie die Leute, die an den Songs mitgewirkt haben. Die einzigen die überhaupt mal Songs bekommen sind Mel, weil sie die arrangieren muss, und der Engineer, damit er die Sachen noch mal im Auto nachhören kann. Aber ansonsten bekommt keiner die Songs und so gehe ich auch einfach sicher, dass auf unserer Seite nirgendwo ein Loch ist, wo die Sachen rauskommen. Zudem ist es so, dass deutscher Rap ziemlich einfallslos ist und wenn dann irgendetwas kommt, was anders und neu ist, dann wird das schnell von anderen Leuten übernommen. Das sollte mit dieser Maßnahme verhindert werden. Vielleicht ist das auch ein bisschen übertrieben und man hätte nicht alles zensieren müssen, aber da war ein unveröffentlichter Track und ich hätte mich schon sehr geärgert, wenn ich die rhymes irgendwo mit einem anderen Rapper gehört hätte.

»Bester Tag deines Lebens« ist ja für viele so etwas wie ein Deutschrap-Klassiker. Denkst du, dass du bei »Tot oder lebendig« allgemein in deinem Style gereift bist?
Kool Savas: Absolut, also wenn das nicht so wäre, dann wäre das sehr schade. Ich bringe die Sachen jetzt mittlerweile viel mehr auf den Punkt und bin immer noch so emotional, so dass ich in der booth ausraste, Songs wegschmeiße, durchgeschwitzt bin, aggressiv werde oder irgendetwas in der Art. Das sieht jetzt nicht so aus, dass die Songs aus mir heraussprudeln und jeder Song genau so wird, wie ich ihn mir vorstelle. Ich muss da immer noch mit kämpfen. Was wohl einfach daran liegt, dass es sich um eine sehr emotionale Angelegenheit handelt. Gut, »Bester Tag deines Lebens« war jetzt nicht so unglaublich schwer für mich und auch nicht viel schwerer als dieses Album, aber ich weiß, dass ich jetzt viel mehr auf den Punkt kommen kann und flowmäßig hab ich mich definitiv weiterentwickelt. Das neue Album geht genau den gleichen Weg wie »Bester Tag« und kommt vom vibe her ähnlich rüber. Ich hab definitiv Songs, die dir dieses ganz bestimmte Gefühl geben. Man kann zwar sagen, was gut produziert oder gut gemischt ist, aber am Ende des Tages entscheidet eh immer der Bauch. Und ich hab bei diesem Album genau das Gefühl, was ich damals als Fan bei irgendwelchen Songs hatte, die ich gefeiert habe und welches ich dann endlich auch bei meinen Sachen wie »Bester Tag«, »Haus und Boot« oder »Neongelb« hatte. Wie gesagt bin ich sehr überzeugt von dem Album und hoffe, dass es in ein paar Jahren ebenfalls als Klassiker gewertet wird.

Du sprachst vorhin die Beats an. »Tot oder lebendig« wurde komplett von Mel produziert, wie fast jede deiner Veröffentlichungen. Besteht da kein Interesse auch mal auf anderen Beats zu rappen?
Kool Savas: Nein, überhaupt nicht. Ich habe ja auch schon mit vielen anderen Produzenten zusammen gearbeitet. Mel ist für mich die abwechslungsreichste Produzentin und ich persönlich fühle mich auf ihren Beats am wohlsten. Da schreibe ich meistens die besten Sachen zu. Meine größten Hits waren bisher immer auf ihren Beats – bis auf »All 4 One«, der war von L.E.S. produziert. Ich war ja auch mit Azad in Amerika und wir haben eine Woche lang nur Beats gehört und am Ende trotzdem nicht so viele zusammen bekommen, obwohl die schon von sehr renommierten Produzenten wie L.E.S. oder Needlz waren. Ich persönlich habe sowieso einen komplett anderen Beat-Geschmack, als die meisten Leute. Aber solche Beats gefielen mir echt überhaupt nicht. Das sind zwar Produzenten, die sehr professionell sind, aber vom Stil her ist es halt nichts, was mir gefällt.

Und was bedeutet der Titel »Tot oder lebendig« für deine Karriere? Was machst du z.B. wenn das Album floppt?
Kool Savas: Da bin ich ganz ehrlich. Wenn ich glauben würde, dass es floppen oder den Leuten nicht gefallen würde, dann hätte ich das niemals so genannt. Im Endeffekt hab ich einfach das widergespiegelt, was die Leute sagen. Zudem muss erwähnt werden, dass man diesen Titel auf mehrere Arten anwenden kann. Beispielsweise auf meinen auslaufenden Vertrag mit der BMG. Da fängt dann für uns auch ein neues Leben an, wenn wir es danach fertig bringen independent durchzustarten. Aber ich persönlich weiß, ohne mich jetzt selbst zu loben, dass es ein gutes Album ist. Wenn ich das Album mit dem vergleiche, was aus Deutschland bis jetzt gekommen ist, dann bin ich mir sicher, dass es ein gutes Album ist, mit dem ich jeden Raphörer überzeugen kann. Wenn ich davon ausgehen würde, dass das Album wirklich mein Untergang sein würde, dann hätte ich es bestimmt nicht »Tot oder lebendig« genannt.

Wie du selbst gesagt hast, läuft dein Vertrag mit der BMG nach diesem Album aus. War das Nichtunterstützen bei den Splash-Promoaktivitäten auch ein Grund dafür, dass du in Zukunft nur noch independent veröffentlichen wirst?
Kool Savas: Das ist u.a. natürlich ein Grund. Aber ich sag auch ganz ehrlich: Wenn ich jetzt ein Label hätte, bei dem sich die Leute die ganze Zeit menschlich so dahinter klemmen und zeigen würde, dass sie Bock darauf haben, dann hätte ich bis jetzt noch keinen Grund gehabt und stattdessen den Vertrag sogar sofort verlängert. Als ich 2002 bei dem Label unterschrieben habe, waren da sehr viele junge Leute dabei. Besonders der A&R war ein super Typ, der sich mit Rap auskannte und mich auch gut unterstützt hat. Damals wehte da einfach ein ganz anderer Wind. Aber mittlerweile ist es, ohne denen jetzt auch einen Vorwurf zu machen, ein komplettes Rocklabel, bei dem nur Altrocker sitzen, die sich ihr Leben lang nur um so Sachen wie Oomph oder Guano Apes gekümmert haben. Das sind halt Sachen, die mit HipHop nichts zu tun haben. Und so kann ich von denen auch nicht erwarten, dass die dieses ganze Rapding und den ganzen Lifestyle verstehen. Deswegen habe ich auch keine großen Erwartungen an die. Doch ich hoffe, dass die so viel Promo machen, dass zumindest jeder weiß, dass das Album kommt. Mehr kann ich nicht erwarten, alles andere muss von mir selbst kommen.

Ich habe vor ein paar Monaten ein Interview mit Curse geführt, bei dem er erwähnt hatte, dass er richtig Bock hätte mit dir und Samy Deluxe ein Album zu machen. Jetzt hast du ja mit Samy so einen kleinen Streit: aber hättest du nicht auch Bock auf das Album?
Kool Savas: Ja, vor einiger Zeit hätte ich das in der Form auch noch gemacht. Ich mag Curse richtig gerne und ich würde mit Curse auch gerne auf einer längeren Distanz arbeiten und etwas Größeres machen. Aber nicht mit Samy.

Wie sieht es mit einem Separate-Feature aus? Für den bist du ja so was wie ein Mentor. Der hatte ja in letzter Zeit des Öfteren verlauten lassen, dass er sehr gerne ein Feature mit dir machen würde?
Kool Savas: Ich habe seine neuen Sachen noch nicht gehört, aber ich mag ihn sehr gerne als Typ. Allerdings habe ich ihn sehr lange nicht mehr gesehen. Wenn wir uns mal treffen würden und musikalisch beide drauf Bock haben und uns auch noch menschlich gut verstehen, dann würde ich mit ihm auch ein Feature machen. Kein Problem.

Du warst beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring sogar als Fahrer dabei: Wie kam das zustande?
Kool Savas: Ein Kollege von mir hat die Sache für ein Team mitorganisiert und hatte mir erzählt, dass die noch einen Fahrer suchen. Daraufhin hat er mich dann einfach gefragt, ob ich mir vorstellen könnte da mitzumachen. In dem Rahmen habe ich dann auch meine Lizenz als Fahrer gemacht und darf jetzt bei solchen Rennen teilnehmen. Da dachte ich mir: ›O.K., das ist auch etwas Gutes für die Zukunft und eine Erfahrung für mich, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde.‹ Das war schon was ganz krasses, etwas komplett anderes als der alltägliche Rapfilm, das war eine komplett neue Welt und so schlecht ist das Ganze nicht mal gelaufen. Ich bin bei Regen gefahren und wir hatten ein Allradauto, bei dem wir kurz davor die Regenreifen draufgemacht hatten und daher hatten wir schon einen großen Vorteil. Ich konnte auch einige Leute auf der Piste überholen und habe keine Zeit vergeudet, aber auf jeden Fall auch eine korrekte Runde hingelegt.

Autos bedeuten dir ja einiges. Du erfüllst dir damit kleinere Träume. Was gibt es denn sonst noch für Träume im Leben eines Kool Savas?
Kool Savas: Ein Einfamilienhaus indem dann unter anderem meine Eltern auch drin leben können, welches am besten irgendwo abbezahlt in der Natur steht. Das wäre auf jeden Fall ein Traum. Aber sonst hoffe ich in erster Linie, dass ich gesund bleibe, dass ich mit den Menschen in meinem eigenen Umfeld auch musikalisch das verwirklichen kann, was ich mir vorstelle, dass ich weiterkomme und nie stagniere, das sind so für mich die wichtigsten Sachen.