Warp Films – Filme mit Gespür für Musik

25.02.2014
Die Figuren, die das Universum von Warp Films bevölkern, sind sicherlich alles andere als die klassischen Kinohelden. Beim British Shorts Festivals wurde eine Auswahl an Kurzfilmen zum zehnjährigen Bestehen der Produktionsfirma präsentiert.

Skinheads in der englischen Provinz, dilettantische islamische Selbstmordattentäter, ein paranoider Toningenieur und australische Serienmörder. Die Figuren, die das Universum von Warp Films bevölkern, sind sicherlich alles andere als die klassischen Kinohelden. Die unabhängige Produktionsfirma mit Firmensitz in Sheffield und London ist aus dem reichhaltigen visuellen Fundus des Plattenlabels Warp Records hervorgegangen. In Folge der bemerkenswerten audiovisuellen Kooperationen von Regisseuren und Musikern wie Chris Cunningham, Jarvis Cocker, The Aphex Twin oder Autechre in den 1990er Jahren planten die Warp Gründer Rob Mitchell und Steve Beckett bereits zur Jahrtausendwende einen Einstieg ins Filmgeschäft. Nach Rob Mitchells Tod 2001 setzte Steve Beckett dies zusammen mit dem Channel 4-Produzenten Mark Herbert schließlich in die Tat um. Die Kurzfilme, die im Rahmen einer Retrospektive zum zehnjährigen Bestehen von Warp Films beim British Shorts Festival im Januar diesen Jahres im Kino Sputnik in Berlin gezeigt wurden, offenbaren eine ungewöhnliche Auswahl an Themen und Stilmitteln. Das 2002 erschienene Warp Films-Debüt »My Wrongs 8245-8249 and 117« von Chris Morris (»Four Lions«) erzählt beispielsweise die Geschichte eines halluzinierenden namenlosen Protagonisten, der im Schlepptau eines Hundes durch die Stadt gezerrt wird.

»Die Arbeit bei Warp Films ist ein dynamischer Prozess, durch den immer mehr Künstler dazugekommen sind. Chris Morris holte den Schauspieler Paddy Considine ins Boot, der in ›My Wrongs‹ die Hauptrolle spielte. Und dieser wiederum kannte den Regisseur Shane Meadows, welcher Warp Films mit seinen Werken entscheidend vorangetrieben hat«, beschreibt der bei der Vorführung anwesende Warp Films-Produzent Ally Gipps (»Submarine«) die interne Zusammenarbeit. Mit dem düsteren und schwarzhumorigen Rachethriller

»Es sind in erster Linie menschliche Geschichten und keine urbanen Zustandsbeschreibungen, die an ein bestimmtes städtisches Umfeld gebunden sind.«

Ally Gipps (Warp Films)
»Dead Man’s Shoes« drehte Shane Meadows 2004 den ersten abendfüllenden Spielfilm für die Produktionsfirma. Darin konnte der Regisseur ein treffendes Gespür für die Darstellung von gesellschaftlichen Randgruppen und Außenseitern in einer brutalen und fesselnd inszenierten Geschichte unter Beweis stellen. Dies gelang ihm auch in seinem Folgefilm »This Is England«, in dem er eine Gruppe Skinheads in die Midlands der 1980er Jahre porträtiert, die den Einfluss der rechtsextremen British National Party zu spüren bekommt. »This Is England« gewann zahlreiche internationale Auszeichnungen und machte die Filmschaffenden und die Produktionsfirma auch bei einem Publikum ausserhalb Großbritanniens bekannt. Der Großteil der von Warp produzierten Filme spielt außerhalb der Filmhauptstadt London und häufig in kleinen provinziellen Orten im Norden Englands. »Das liegt nicht nur daran, dass Warp in Sheffield gegründet wurde. Durch die Wahl dieser Drehorte können sich mehr Menschen mit den gezeigten Handlungen identifizieren. Es sind also in erster Linie menschliche Geschichten und keine urbanen Zustandsbeschreibungen, die an ein bestimmtes städtisches Umfeld gebunden sind«, erläutert Ally Gipps den Zusammenhang.

Warp Films zeichnet sich durch eine differenzierte Verwendung von Musik und Sounddesign aus. Das verdeutlicht sich nicht nur an Filmen mit einem direkten musikalischem Bezug wie den Dokumentationen »The Stone Roses: Made of Stone« oder »All Tomorrow’s Parties« über das gleichnamige Musikfestival. Die improvisierte Mockumentary »Le Donk & Scor-zay-zee« verfolgt einen ambitionslosen Roadie und einen schwergewichtigen MC auf ihrer Tour als Support für die Band “Arctical Monkeys”, welche (natürlich) von den Bandmitgliedern der Arctic Monkeys dargestellt wird. Deren Frontmann Alex Turner schrieb 2010 ebenfalls den Soundtrack für die sympathische Coming of Age-Geschichte »Subway«. Die musikalische Auswahl ist somit nicht nur auf den Labelkatalog von Warp Records begrenzt, sondern schafft eine passende musikalische Untermalungen mit einem treffenden Gespür der Filmemacher für die jeweilige Musikgeschichte. Der Soundtrack von »This Is England« bietet eine Mischung aus zeitgenössischer Ska-, Soul- und Reggae-Musik u.a. von Lee »Scratch« Perry und Toots and The Maytals. »Berberian Sound Studio« ist untermalt von einer surrealen experimentellen Jazz-Score, welche die beklemmende Handlung über einen zunehmend desorientierten englischen Sounddesigner bei seiner Arbeit an einem italienischen Giallo-Streifen der 1970er Jahre unterstreicht. Lynne Ramsays abstrakter Kurzfilm »Swimmer«, der für die olympischen Spiele 2012 in London gedreht wurde, verdeutlicht ein innovatives filmisches Herangehen an die Produktionsweise der Sample-basierten Musik. Über die beeindruckenden, episch gestalteten Schwarz-Weiß-Bilder eines Schwimmers sind Musiksamples und Dialogausschnitte aus Klassikern des britischen Kinos wie »The Loneliness of the Long Distance Runner« oder »Walkabout« montiert.

Nachdem die beim British Shorts Festival gezeigte Kurzfilmauswahl die vielseitigen Aspekte der Produktionsfirma herausstellen konnte und Warp Films 2011 für das Serienmörder-Drama »Snowtown« ebenfalls eine Zweigstelle im australischen Melbourne eröffnet hat, kann man als Zuschauer also weiterhin gespannt sein, welche cineastische Überraschung Warp Films als nächstes auf die Leinwand bringen wird.