Zwölf Zehner – Februar 2014

05.03.2014
Willkommen im März. Doch vorher lassen unsere Kolumnisten vom Dienst den Monat Februar musikalisch Revue passieren und destillieren in ihrer Kolumne Zwölf Zehner die wichtigsten zehn Tracks des Monats.
»Drunk in Love« ist automatisch die Eins, weil Kanye. Was der auf seinem gemeinsam mit Mike Dean aufgebockten Remix wieder an völligem Münchhausen-Gone-Northpole-Irrsinn zu Protokoll gibt, ist Zeile für Zeile ein fleischgewordener Meme-Traum. Außerdem muss »Drunk In Love« auch deswegen hier ganz oben stehen, weil es zwischen Mitte Januar und Ende Februar circa 538 neue Versionen, Remixes, Re-Edits etc. gegeben hat, von denen kaum einer die Magie des Originals nachhaltig zerstören konnte, was ein nicht zu unterschätzendes Merkmal eines zuvor nicht ausgiebig genug gewürdigten Geniestreichs ist. Und dann war da noch Vin Diesel und diese kolossal-schöne Awkwardness Ganz klar, all dieser Irrsinn konnte und musste final von Herrn Kardashians viel zu graphischer Ringelpiezerei adäquat zusammengefasst werden. Danke, Kanye, wir freuen uns auf den Rosenkrieg 2016, solange aber weiter viel Vergnügen im Luftschloss <3

Beyonces’ »Drunk in Love (Remix feat. Kanye West)« bei Audiomack anhören

An-i
Kino-I
Cititrax • 2014 • ab 20.99€
Dass man das Legowelt’sche Energiepegel diesen Monat sogar noch steigern kann (dazu gleich mehr), dafür steht der mir bislang unbekannte An-I (dahinter steckt der jetzt in Berlin ansässige New Yorker Doug Lee) Pate, der über Veronika Vasickas Minimal Wave Ableger Cititrax eine essentielle 12" veröffentlicht. Im Gegensatz zu Legowelt agiert Doug Lee weniger heimtückisch, sondern macht unmissversändlich sein Anliegen klar. Schon seit Monaten von L.I.E.S.-Patron Ron Morelli in seinen DJ Sets rauf- und runter gespielt, dreht »Kino I« den Masterregler noch mindestens eine Stufe höher, schichtet die Synths stapelweise, schleudert uns Drumrolls um die Ohren und hat mindestens sieben Effektgeräte zwischengeschaltet, auf dass die Punk- und Noise-Sozialisation im musikalischen Werdegang des Mannes bitteschön sofort auf den ersten Blick ersichtlich wird.

An-I »Kino-I« auf Soundcloud anhören

ScHoolboy Q
Oxymoron
Interscope • 2014 • ab 42.99€
»Break The Bank» ist tough. Tough im Sinne der frühen Nuller, als Alchemist gerade in seine besten Jahre schlitterte und sich anschließend einfach weigerte in ein Formtief zu fallen. Es ist also eigentlich auch nur logisch, dass jener Alchemist hier nun Schoolboy Q mit einem derart humorlosen, geradlinigen Something Is Happening – Flip versorgt, dass man dessen Energie in jeder Zeile hört, nicht unnähnlich der Reaktion Ghostfaces auf The Forest Im Chorus dann ungenierte 90s-Euphorie irgendwo zwischen Hit ‘Em High und vergessenen Lost Boyz Großtaten Wir hatten ja fast vergessen wie wir aufgewachsen sind. Danke für die Erinnerung, Q und A!

Schoolboy Qs »Break the bank« auf Clipfish anschauen

Pye Corner Audio kann vieles, am zwingendsten finde ich ihn aber trotzdem, wenn er sich nicht auf Mimikry beschränkt. »Inside The Wave« trägt zwar seine Inspiration im Titel, lässt aber auf Cold Wave Tropen verträumt-moderne Flächen folgen, die auch Dial-Intellektuelle glücklich machen und all die schönen Frauen, die sich morgens zu John Talabots DJ Kicks die Augenbrauen zupfen. Und das ist eine Assoziation, die uns automatisch einen Platz ganz weit vorne wert ist.

Pye Corner Audios »Inside the wave« auf Youtube anhören

V.A.
Ten Years Of Phonica
Phonica • 2014 • ab 27.99€
Unser Mann Danny Wolfers macht es uns in diesem Monat nicht einfach, sich für einen seiner Tracks zu entscheiden. Ein Killer jagt da den nächsten und ein neuer Longplayer steht auch schon in den Startlöchern. In der engeren Auswahl zwischen »Blue Tearz« und »Lovecraftianature« zieht der Erstgenannte den Kürzeren, aber es war eine schwierige Wahl. »Lovecraftianature« ist mal wieder Legowelt-Techno, ist mal wieder Twin-Peaks-Techno par excellance. Von Beginn an strotzt der Track schon voller Power, aber die mächtigen Kicks wollen noch nicht ganz durchdringen durch den dichten Synthebel aus enigmatischen (im Sinne Michael Cretu) Esowolken. Zur Trackmitte dann schlägt der Blitz ein und die geballte Energieladung entlädt sich volle Breitseite. Wer hat das kommen sehen?! So stelle ich mir das Berghain vor, sonst will ich da gar nicht erst hin.

Legowelts »Lovecraftiannature« auf HHV.de anhören

Es geht los wie immer in Chiraq: mit Drama. Eine hektische Babymomma, die sich telefonisch nicht besonders entspannt über den Verbleib von zwei Millionen Dollar erkundigt und ihren Unmut über ihre Lebensumstände durchaus nachdrücklich artikuliert. Irgendwas hat das auch mit unserem Protagonisten hier zu tun, der auf den wahnwitzigen Namen God hört und uns nach gut 35 Sekunden mit protestantischer Arbeitsethik vertraut macht, bevor uns ein im allerbesten Sinne zeitloser Piano-Beat gleichzeitig Jewelz und Ghetto Millionaire denken lässt. So geht das dann noch gute zwei Minuten, inklusive einer unglaublichen elegant-reduzierten Bridge, in der der gute alte Sozialdarwinismus in all seiner Kaputtheit reflektiert wird. Wir mögen sowas.

Gods »Still Alive auf Youtube anhören

Dieser PhOtOmachine und der R&B, da stellt sich sofort die Alchemie ein. Erst der zuckersüße inofizielle Remix für Musiq Soulchild im letzten Jahr, jetzt dieser bummlige Edit des 1982er Boogie Klassikers von Sharon Brown. Wer hätte das gedacht, aber auch anno 2014 ist Edit, wenn er gut gemacht ist, immer noch King. Das ist so ähnlich wie mit Herrenfilmen. Aber zurück zum Thema. PhOtOmachine verlagert das Tempo deutlich unter die 100, konzentriert sich zu Beginn weniger auf den Groove als auf die Kernbotschaft »Special Luv« und deren kurze Hook und holt dann im genau richtigen Moment eben den Groove und mit ihm die Breaks raus. So viel zum Edit. Wenn wir aber ehrlich sind, sind wir aber ohnehin so große Fans des Originals, Fans von Sharon Brown, Fans von Tee Scott, Fans von PhOtOmachine und Fans der hier verkörperten Attitüde hinter dem Song, der uns jedes Mal verzücken lässt, ähnlich wie bei einem anderen alchemistischen Werk das wir jedes Mal aufs Neue feiern werden.

Photomachines »Special Luv« auf Youtube anhören

Was Kollege Aigner schon vor Monaten über Flatbush Zombies’ »Palm Trees« geschrieben hat, könnte ich an dieser Stelle auch eins zu eins für »Lit« gelten lassen und unwidersprochen rüberkopieren. Lasse ich aber. Mir bleibt unverständlich, wie die Jungs hier ihren, nüchtern ausgedrückt, überdurchschnittlichen Haschischkonsum mit ihrer Libido in Einklang kriegen, aber ich nehme ihnen dennoch einfach alles ab. Alleine weil sich dieses Drumkit so furztrocken wie langsam über das melancholische Sample scheppert. An dieser Stelle will ich den Kollegen doch wissenschaftlich unsauber zitieren: Mit viel Fantasie ist das 14 till infinity. Ja, mit allem nötigen Ernst.

Flatbush Zombies’ »Lit« auf Youtube anhören

Specter
The Gooch EP
Sound Signature • 2013 • ab 9.59€
Irgendwie gehen die Sound Signature Nummern ohne Schirmherrschaft durch Herrn Parrish immer etwas unter. Specter ballerte zwischen den Jahren mit »Zodiak« eine derart vehemente Acid-Bombe heraus, dass selbst sein Vorgänger, das ebenfalls exzellente Pipe Bomb dagegen fast schon zahm wirkte. Off Beat Percussion über einen morastigen Squelch-Tümpel, keinerlei Appeasement-Politik. Und trotzdem redeten alle wieder nur über Theos Platte für Trilogy Tapes

Specters »Zodiak« auf HHV.DE anhören

Mike Will zitiert Salt ‘N Pepa auf seiner Version von Clique Future lässt die Red Carpet Schmuserei mit Ciara ruhen um im omnipräsenten Migos Flow im Maserati über chinesisches Weiß zu sinnieren, bevor Pusha thematisch ein Heimspiel feiert, inklusive Pharrell Throwback-Adlibs (»from ashy to classy»). Skateboard P bestätigt uns dann in der Annahme, dass man sich um seine Laune weiterhin keine Sorgen machen muss, solange er mit 20 Nackedeis Yoga macht und seinen Gandalf-Hut spazieren tragen darf. Austrudeln tut »Move That Dope« mit einem zu vernachlässigenden Casino 16er, aber das geht dank der vorangegangenen Wohlstandsbekundungen dann fast ein bißchen unter.

Futures »Move that dope« auf youtube anhören