Chefket – Warum ist Chefket noch kein Star?

04.08.2015
Chefket flext und singt und sorgt live regelmäßig für Begeisterung. Trotzdem ist er eher ein Underground-Phänomen geblieben. Das soll sich mit seinem neuen Album ändern. Oder soll es das überhaupt?

Chefket, das ist dieser Typ mit dem Rap und dem Soul, dieser Typ, der mindestens so gut flext wie er singt und der live so saustark aufspielt, dass Marteria ihn bei seinen Tourneen gar nicht mehr von der Seite lässt. Sein zweites Album »Nachtmensch« erscheint am 14.08. über Vertigo (Universal).

Aus Heidenheim hat es den freestylenden und singenden Rapper Chefket vor zehn Jahren nach Berlin verschlagen. Kein Open Mic, das er nicht gerockt hat, keine Crowd, die nicht getanzt hat. Das Debütalbum »Einerseits Andererseits« erschien über das Berliner Künstlerkollektiv edit ent. Der Titeltrack des Albums wurde ein veritabler Szene- und ein kleiner Radiohit. Von kleinen Hits sollten auf der selbst veröffentlichten EP »Identitäter« sowie dem Mixtape »Guter Tag« auch noch ein paar folgen, doch der Sprung ins Zentrum der Szene blieb Chefket bisher verwehrt. Auch große Touren zusammen mit Marteria und Jan Delay halfen nicht auf Anhieb. Doch darauf baut Chefket nun auf. Das Album »Nachtmensch« soll die Früchte der konstanten Arbeit tragen. Den Status als Newcomer will er endgültig ablegen.

hhv.demag: Der Pressetext stellt die große Frage: Warum ist Chefket eigentlich noch kein Star? Aber: Ist es dir überhaupt wichtig, einer zu werden?
Chefket: Also der Typ, der den Text geschrieben hat, kennt meine Mucke sehr gut. Und wenn man meine Musik hört, kann man sich die Frage schon stellen, warum ich noch nicht in aller Munde bin. Also, ich finde die Frage schon gerechtfertigt.

Hast du eine Antwort darauf?
Chefket: Naja, es ist so wie mit Independent-Filmen. Es gibt tausend geile Filme, aber du musst dich damit auseinandersetzen, um die zu finden. Mit den Blockbustern wirst du die ganze Zeit vollgeballert.

» Die Leute, die mich finden, die denken sich: Krass, warum kannte ich das bis jetzt nicht?«

Chefket
Da steckt halt Geld dahinter, mit dem Werbung dafür gemacht wird. Wenn jetzt jemand von morgens um acht Uhr bis nachmittags um fünf Uhr arbeiten geht, noch Kinder hat, eine Freundin oder sonst was, wie soll der sich noch mit so etwas befassen, Leute wie mich zu finden. Aber die Leute, die mich finden, die denken sich: Krass, warum kannte ich das bis jetzt nicht?

Was genau erhoffst du dir mit der Platte?
Chefket: Wir haben bisher nie Kohle reingesteckt, wir haben nie so richtig Promo gemacht. Das sieht man auch. Nun freue ich mich, dass die Musik durch die Zusammenarbeit mit Vertigo gepusht wird, weil die eben auch Bock haben das zu pushen. Und ich hoffe natürlich, dass die Platte nicht untergeht, dass es viele Leute mitkriegen und dass die deutsche Musiklandschaft dadurch bereichert wird. Mit dieser Platte haben Farhot und ich etwas Zeitloses gemacht.

Wie muss man sich den Arbeitsprozess zwischen dir und Farhot vorstellen?
Chefket: Die Grundlage war unsere Zusammenarbeit auf »Identitäter«. Danach haben wir uns beide entschieden, das zu vertiefen. Wir haben dann viel gevibet, viel geflasht, viel geredet, sind verreist, nach Dänemark, nach Marokko, nach Istanbul. Es ist erst einmal lose Musik entstanden, aus der wir dann das Konzentrat des Albums herausgefiltert haben. Es ist viel zusammen im Studio in Hamburg entstanden. Erst als es zum Ende hin nur noch um Details ging, haben wir uns das per Mail hin und hergeschickt. Wir haben auch einige Sachen live eingespielt, wobei wir darauf geachtet haben, dass es nicht zu muckermäßig wird, sondern geil. Am Anfang war alle Musik aus dem Rechner. Am Ende haben wir dann viel wieder live eingespielt und das dann wiederum gesamplet. Es ist im Grunde fast alles von Null auf entstanden.

Ist die Platte eine reine Chefket & Farhot-Platte, oder haben noch andere Leute ihren Anteil an der Entstehung?
Chefket:Ja klar, Benny Blanco ist auch mit dabei, die Krauts haben Ideen mit eingebracht, dann gab es noch Beats von Ghanaian Stallion, wo wir mit Farhot dran weitergearbeitet haben, oder Beats von TrommelTobi, die wir genommen haben. Wir haben außerdem Haze, der ist sowas wie der Haftbefehl der Bassspieler, wenn der anfängt, dann ist es auf jeden Fall sofort gangsta. Wir haben also mit einigen zusammengearbeitet, das war sehr sehr angenehm.

Auf »Nachtmensch« handeln viele Songs davon, im Delirium zu sein, sich zu berauschen, also der Normalität zu entfliehen. Kann man sagen, dass die Lebensrealität eines Otto Normal dir Angst macht?
Chefket: Also der Nachtmensch an sich ist ja auch so der Außenseiter-Typ. Ich beschreibe ja auf dem Song »Nachtmensch« auch wie ich in die U-Bahn steige und sehe, wie die Leute zur Arbeit fahren. Weißt du, ich wollte schon auch immer zu diesen Leuten gehören, einfach dazu gehören.

»Erst wenn du mit irgendetwas Geld machst, wird diese Tätigkeit auch akzeptiert, vorher bist du nur ein Träumer-Typ.«

Chefket
Ich dachte, ich will auch versichert sein, ich will auch einen normalen Job haben, wo man Kollegen hat und alles. Aber es ging nicht, weil ich einen anderen Lebensplan im Kopf hatte. Eine lange Zeit dachte ich, irgendwas stimmt mit mir nicht, aber mittlerweile ist das einfach auch eine bewusste Entscheidung, nicht dazu zu gehören. Ich komme ja aus Schwaben, da heißt es immer noch: Was hast du gelernt? Erst wenn du mit irgendetwas Geld machst, wird diese Tätigkeit auch akzeptiert, vorher bist du nur ein Träumer-Typ. Mittlerweile wird das auch bei mir akzeptiert, aber das heißt nicht, dass ich jetzt dazu gehöre. Also, es ist keine Angst vor der Otto-Normal-Gesellschaft, sondern eine bewusste Entscheidung, da nicht mit zu spielen.

Du hast nach »Einerseits Andererseits«, das noch auf edit erschienen ist, eine Zeit lang deine Sachen alleine raus gebracht. Was hast du in dieser Zeit gelernt?
Chefket: Die Leute, die in der Zeit mit mir gearbeitet haben, da wusste ich, dass ich immer mit denen zusammenarbeiten würde, auch wenn es größer wird. Ich hatte nie wirklich Kohle, aber ob es nun Artwork ist oder andere Sachen, die Leute haben für mich gearbeitet, weil sie die Musik gefeiert haben. Da habe ich gelernt, dass man Business auch mit Liebe machen kann, ohne sich gegenseitig abzufucken. Es war auch schön zu sehen, dass ich gar nicht so tun muss, als hätte ich Ahnung vom Geschäft, sondern dass ich jederzeit fragen kann.

Was hat sich für dich jetzt geändert mit dem Deal bei Vertigo (Universal)? Hast du einem gestiegenen Erwartungsdruck standzuhalten?
Chefket: Eigentlich wollten wir die Mucke auch selber raus bringen, aber dann hat Universal Interesse gezeigt und mir einen super Vertrag angeboten. Die wollten nicht reinreden und ich weiß, dass da Leute arbeiten, die dafür sorgen, dass die Musik sich geil verbreitet. Das ist eine Bereicherung für mich, denn nun kann ich mich noch mehr auf die Musik konzentrieren. Und da die Musik zu dem Zeitpunkt schon fertig war, spüre ich da auch keinen größeren Druck. Eigentlich hat sich nichts geändert. Außer, dass ich das Gefühl habe, dass die Leute im Allgemeinen jetzt netter zu mir sind, seitdem sie das wissen. Es ist, als ob sie mich jetzt zum ersten Mal als ›richtigen‹ Rapper betrachten. Das ist komisch, denn das kommt sogar von Leuten aus der Szene. Das hat mich schon gewundert.