
Facebook-Nutzer schrieben Hanebüchenes zu den Reizthemen des Jahres. Andere Facebook-Nutzer stellten das, was ihre Facebook-Freunde an Hanebüchenem geschrieben hatten an den Pranger und kündigten die Freundschaft – im Falle, dass es mal eine war. Zwischen dem einen Menschen und dem anderen: ein Graben. Wir starrten in diese Kluft, die beide Seiten vor allem anfüllten mit: Vorwürfen, Anschuldigungen, Halbwahrheiten, Argumenten.
Wenn dieses Jahr an einer Sache besonders mangelte, dann war es stilles Einverständnis. Unausgesprochene Empathie und friedliches Miteinander. Vielleicht ist das der Grund, warum es einige Alben in unsere Top 50 geschafft haben, die vor allem eines sind: ohne Worte.
Dagegen fanden andere Künstler wiederum so großartige, dass sie genau deshalb hier genannt sind. Worte, die nicht ausgrenzen; Worte, die danach ringen, die anderen zu verstehen, eine weiterhin komplexer werdende Welt zu verstehen und erkennen: Erstmal muss ich mich dafür selbst verstehen.
Hier sind also die unserer Meinung nach besten Alben des vergangenen Jahres. Sollte euch das eine oder andere fehlen, sagt es uns gerne. Aber bitte leise. Und lasst uns ein wenig Verständnis haben.
Ein Trigger-Wörtchen wie »Verlangen« impliziert viel Dreck in Form von Körperflüssigkeiten und lässt weniger an sterile Versuche denken. Dem Dänen Assembler aber gelingt mit »Quantum Paths Of Desire« die bestmögliche Synthese aus durchkalkuliertem Sounddesign und unterschwelliger Gefühlsbrodelei. Wie nebenbei schafft er sich auch musikalisch eine eigene Nische, die die Dinglichkeit von EBM und Synth-Pop mit der ästhetischen Dringlichkeit von Raster-Noton dermaßen fruchtbar ineinander fließen lässt wie das Verlangen nach Genitalsäfte. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: LP Es muss eine magische Atmosphäre gewesen sein: der französische Cellist Vincent Ségal und der malische Koraspieler Ballaké Sissoko haben ihr zweites gemeinsames Album »Musique de Nuit« auf dem Dach von Sissokos Haus im westafrikanischen Bamako eingespielt. Das Resultat: ein sanftes, kammermusikalisches Kleinod, das alle Grenzen von Klassik, Jazz oder Weltmusik transzendiert. Größtenteils instrumental, nur einmal in Begleitung eines traditionellen Griot-Sängers, ist dies berückend schöne meditative Musik. Längst nicht nur für die Nacht. Jan Paersch
Find it at hhv.de: LP oder CD oder Tape Die kanadischen Jungjazzer von BadBadNotGood teilen sich gerne und erfolgreich mit US-Rappern die Tonspuren. Und Ghostface Killah hat nicht nur einmal bewiesen, dass seine kehligen Flows sich gut mit live orchestrierter Musik vertragen. Mit der LP »Sour Soul« finden sie nun zusammen. Und das geht gut. Wu-Member Ghostdeini kann man nach wie vor uneingeschränkt empfehlen, und die Band stellt ihm eine Soundkulisse aus repetitiven, eher reduzierten Arrangements, die ihm genügend Raum zur Entfaltung lässt. Christian Neubert
Find it at hhv.de: LP Vielleicht musste Björk durch die Hölle gehen, um sich auf sich selbst besinnen zu können. Vielleicht ist Co-Produzent und Auskernnerliebling Arca, aber auch einfach ihr Jungbrunnen. Denn auf »Vulnicura« gelang es der exzentrischen Isländerin erstmals seit Jahren die emotionale Tiefe ihrer »Homogenic«-Phase mit dem existenzialistischen Minimalismus der letzten Alben zu kombinieren. Fernblick-Orchestrierung, geflüsterte Beats und düstere Electro-Sphären, Klagen, Hoffen, Steine, Herzensbrüche, Eiseskälte. Fionn Birr
Find it at hhv.de: 2LP+CD Die konsequente Abkehr von klassischen House-Sounds war nicht nur überraschend. Nein, »Welcome To The Present« legt auch erstmals das ganze musikalische Talent von Blond:ish frei. Die Devise: Traumwelten, statt Tanzflächen. Traditionelle Instrumente treffen auf detailverliebte elektronische Sounds, die zuweilen gar an die Altmeister The Orb erinnern. Eine Reise für Geist und Seele, auf die man sich unbedingt begeben sollte. Kevin Goonewardena
Find it at hhv.de: LP Celer schafft mit seinem Ambient-Musik das Gefühl von Geborgenheit im Alltag. Aber dabei bleibt es nicht, wäre ja langweilig. Zu Tee, Bahn und Nachhause-Kommen gesellt sich die Idee, in alle dem fremd zu sein, oder all das zwar wunderbar zu finden, es aber nicht vom Bewusstsein über die Vergänglichkeit entkoppeln zu können. »Sky Limits« ist Musik, die Ruhe ausstrahlt und aufwühlt, die zum Verweilen in einem bitterschönen Moment einlädt. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: LP Dieses Gitarre-Stimme-Emotionen-Ding wird erst dann so richtig interessant, wenn einer der drei Parameter kräftig nach oben geregelt wird. Bei Circuit Des Yeux ist es der prominente Einsatz ihrer Stimme, der den Rest des Gefüges mit einer solchen Wucht durcheinanderwirbelt, dass nach »In Plain Speech«, ihrem bisher besten Album, nichts mehr aufeinandersteht. Nicht mal dieses Gitarre-Stimme-Emotionen-Ding. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: LP Kaum haben die Bouncer an den Pforten medialer Wahrnehmung mal nicht aufgepasst, wackeln Nähmaschine, Regenschirm und Seziertisch über den Floor. Co La wischt das Filmblut auf und bindet die Löcher, die die Newsreel-Überfütterung in unsre Aufmerksamkeit gestanzt hat, mit goldenem Faden in brandaktuelle Beatraster. Lebendiger als im Ekel vor den glänzenden Oberflächen der Gegenwart durfte man sich kaum zu fühlen hoffen, so beiläufig funky purzelten die gelachten Bröckchen auf »No No« auf den Teller. Peter Gebert
Find it at hhv.de: 2LP und CD Diese unerwartete Rückkehr kommt nicht nur wegen des Titels »Black Messiah« einer Auferstehung gleich. Über 14 Jahre nach »Voodoo« überzeugt D’Angelo mit diesem mutigen wie experimentierfreudigen Werk – und bleibt sich dabei trotzdem treu. Sanfter R’n’B und wütender Rock, sexy Soul und crispy Funk, sweet love und dirty politics, Spuren von Psych, Flamenco und gar New Wave, dazu dieser ganz und gar unwiderstehliche Groove. Das alles macht „Black Messiah“ zeitlos in seiner musikalischen Extravaganz, so politisch wie nie unterstreicht D’Angelo nebenher noch die inhaltliche Relevanz. Martin Silbermann
Find it at hhv.de: 2LP Nein, mit den schlaflosen Freunden sind nicht die Clubkids aus Dasha Rushs Freundeskreis gemeint, sondern ziemlich tote Menschen: Albert Einstein oder Edgar Allen Poe zum Beispiel. Die denen gewidmeten »Sonar Poems« der Russin fallen dementsprechend zart und vergeistert aus, wie leise geflüsterte Beschwörungen jenseits der Geisterstunde. So eindringlich wie auf »Sleepstep« kann Ambient sein, ist es sonst aber viel zu selten. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: 2LP Acht Tracks wie einer, alle getragen von der Mundorgel, so etwas wie dem asiatischen Pendant zum Didgeridoo. »The Loud Silence« ist ein ätherischer Trance, ist Rave-Tantra: Ohne sich selbst zu steigern, treiben einen die sich ständigen Wiederholungen fast zu Ekstase. Aber eben nur fast. Donato Dozzys jüngstes Album ist ein Spektakel ohne Feuerwerk, ein psychedelischer Natur-Trip ohne Katharsis, der Tunnel zur Erlösung ohne Licht. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: 2LP oder CD Drake ist eigentlich ein Jazzer. Auch »If You’re Reading This It Is Too Late« steht in dieser Tradition. Ein musikalisches Experiment aus eleganten Beatswitches, obskurer Sample-Wahl und einem skizzenhaften Charakter, den man von einem Champions Liga-Rapper seines Kalibers nicht erwartet hätte. Abgesehen von dem Fakt, dass auch dieses Album ohne Vorankündigung erschien, hat es beinahe versehentlich auch, die künstliche Unterscheidung zwischen Album und Mixtape aufgelöst. Fionn Birr
Find it at hhv.de: CD Jeder Song eine Fratze, die einen aus einer Ecke heraus anstarrt; bedrohlich wirkt, obwohl sie sich nicht bewegt, einfach da bleibt. Neurotisch, asozial und misanthropisch hat sich Earl Sweatshirt auf seinem zweiten Album »I Don’t Like Shit, I Don’t Go Outside« verschanzt und auf Zwieback-und-Wasser-Beats ein Album geschaffen, bei dem einem nichts anderes übrig bleibt, als zu genießen wie ungenießbar es ist. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: 2CD+EP+Poster+Sticker+Shirt, Vinyl2LP+CD+Poster und 4LP+2CD+7“+Slipmat+Poster+Sticker Dem deutschsprachigen Hip Hop hätte nichts besseres passieren können: Als Fatoni, Lieblingsrapper deiner Lieblingsrapper, und Dexter, vermutlich der einzige deutsche Superproducer und bester Teilzeit-Rapper, für »Yo, Picasso« ihre kubistische Klangkulisse zusammenbauten, ballte sich geschmackvolles Sample-Organikum mit bissigen Seitenhieb-Silben zu einem wahren Untergrund-Manifest. Mal wahre, mal witzige Zynik, Tragik und Kritik trafen auf handverlesene Schatzkisten-Samples, die dem Deutschrap nicht nur ungezwungen seine Intelligenz, sondern vermutlich sogar ein Klassikeralbum zurückgaben .Fionn Birr
Find it at hhv.de: LP-180g | LP Ein Doktor in Neurowissenschaften, ein eigenes Label gründen, das Debüt-Album veröffentlichen und nebenbei in staubigen Kellern nach musikalischen Schätzen graben – was für die meisten nach Lebenswerk klingt, hat Sam Shepherd alias Floating Points mit 29 Jahren schon abgehakt. Ob Jazz, brasilianischer Fusion-Sound, sphärischer Trance oder Electronica, Shepherd lässt seine Einflüsse unprätentiös zu einem stimmigen Konzept verschmelzen und liefert mit »Elaenia« eines der interessantesten elektronischen Alben des Jahres. Laura Aha
Find it at hhv.de: 2LP Frits Wentink heißt eigentlich ganz anders, sieht witzig aus und hat in den letzten drei, vier Jahren mehr Platten veröffentlicht als die meisten Menschen in nur einem Leben verdauen könnten. Zumal die stolpernden und holpernden Rhythmen von »Rarely Pure, Never Simple«, seinem Debütalbum unter dem Wentink-Pseudonym, mit unglaublicher Raffinesse noch jede House-Konvention gegen den Strich bürsten. Was ja dringend notwendig war. Kristoffer Cornils
Während Future sich zuvor noch an Selbstaffirmation durch unverbindlichen Ge-Vau und MDMA-Naivität versuchte um in den »Beast Mode« zu kommen, inszeniert »56 Nights« einen halbstündigen, schonungslosen Comedown, in dem er seine eigene Jämmerlichkeit und den unkontrollierten Gang zum Medikamenten-Schrank offenlegt. Wem The Weekends Depressionen stets zu konstruiert erschienen, bekommt hier die richtige Dosis Selbsthass, der jederzeit in materialistische Megalomanie und weggenuschelten Nihilismus umschwenken kann und genau deswegen noch stärker war als das ebenfalls großartige, aber zerfahrenere »Dirty Sprite 2«. Florian Aigner
Find it at hhv.de: 2LP Es war höchste Zeit, dass der MPC-Sportler und Max Graef-Überbuddy Glenn Astro auf seine zahlreichen EPs ein Album folgen lässt, das als ultimativer Lackmustest dient. Der schimmert in ähnlich vielen Farben wie das Coverartwork von »Throwback«, legt damit aber nur ein Ergebnis nah: Glenn Astro kann auch Album, kann die ganzen Mikro-Einflüsse seiner krumm groovenden Musik in ein kohärentes Ganzen zusammenpanschen, kann dabei mehr Spaß machen als viele Geistesverwandte. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: 2LPVielleicht kein Zufall, dass der erste Track von Grants Debütalbum ausgerechnet »Charade« heißt, handelt es sich doch offensichtlich um einen konzeptionell untermauerten Witz: Ein Label, dessen Acts anonym bleiben und die sich nach Filmstars von anno dazumal benannt haben. Dahinter könnten vielleicht Frank & Tony stecken, zumindest gibt es im Deep House-Game anno hierzumal kaum vergleichbare Qualität zu hören. Ein Album wie ein langer, heimeliger Winterabend vorm Kamin, mit einem Hollywood-Schinken als einzigen Begleiter. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: LP Ketterauchend zwischen analogem Equipment und überquellenden Plattenkisten, die nur sie in autistischer Genialität überblickt: Helena Hauff ist der Beweis für die Existenz des weiblichen Nerds. »Discreet Desires« spiegelt ihren düsteren, impulsiven Produktionsprozess und bringt ihre Definition einer Clubnacht (»gemeinsam durchzudrehen, ein bisschen zu saufen, ein bisschen Blödsinn zu machen – und sich am nächsten Morgen scheiße zu fühlen.«) auf den Punkt. Laura Aha
Find it at hhv.de: US 2LP | UK 2LPFuture Soul ist ein etwas bemühter Begriff, der immer dann ausgepackt wird, wenn Jazzeinflüsse auf elektronische Produktion und Soulgesang treffen. Hiatus Kayote haben sehr ausgefeilte Songstrukturen und neigen zu unerwarteten Tempiwechseln. Ihr eigenständiger Sound ist stark jazz orientiert und steckt voller Überraschungen. Kein Album, bei dem man sich entspannt zurücklehnen kann, aber mit Muße einsteigen. Tobias Kirsch
Find it at hhv.de: LP Manche Komponisten können eben auch Pop. Was im Falle von »Platform« nicht heißt, dass sich jemand aus den akademisch-sperrigen Höhen der Neuen Musik herab zur Abwechslung an ein größeres Publikum wendet, sondern die Grenzen des Pop akademisch erweitert. Und die Grenzen zwischen menschlicher Stimme und Computer auflöst. Die Stimme wird bei Holly Herndon ein digitalisiertes Instrument, und der Computer ein Performance-Gerät mit eigener Körperlichkeit. Sperrig und zugänglich zugleich. Und fremdartig schön. Tim Caspar Boehme
Find it at hhv.de: LP »I’m touching my cunt with my hand that isn’t clean. Am I loving myself now?«. Jenny Hval stellt auf »Apocalypse Girl« genau die richtigen Fragen und sie stellt sie kreuz und quer und kunterbunt auf den Kopf. Mit geflüsterter Spoken Word-Poesie und schrillen Gesangsmomenten schafft sie eine Intimität, aus der heraus eine immer größer und komplizierter werdende Welt verhandelt wird. Dieser muss mit den richtigen Fragen begegnet werden. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: LP »Dark Energy« ist vielleicht das subversivste Album des ganzen Jahres, das keinen Diskurs ausgelöst hat. Ob das daran liegt, dass die in Gary, Indiana beheimatete Jlin ihre oft bitterbösen Thesen nur fragmentarisch und mit genug Interpretationsspielraum in Form kleinteiliger Vocalsamples präsentiert, oder weil Footwork dem Feuilleton seit der anfänglichen Aufregung wieder komplett egal geworden ist, sei dahingestellt; Sechsachteltakte und kaukasische Knochen, das ist und bleibt halt eine Geschichte ohne Happy End. Und so verwundert es nicht, dass »Dark Energy« für viele vielleicht erst Arbeit ist und sich auch Jlins Funkiness erst nach einigen Frustrationserlebnissen erschließt. Florian Aigner
Find it at hhv.de: LP »What’s popping good old Germany/my name is JuJu/just in case you’ve never heard of me«, begrüßt JuJu Rogers auf »From A Life Of A Good-For-Nothing« seine vermutlich größtenteils deutsche Hörerschaft und macht sich einen Namen mit traditionsbewusstem Rap, der über in MF Doom-Manier unter anderem Twit One- und Knowsum-Produktionen mäandert und dabei nichts falsch beziehungsweise alles richtig gemacht. Keine Sorge, JuJu, Deutschland hat von dir gehört und deine Platte erst recht. Wieder und wieder. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: LP Toll ist ja, wie kitschig Julia Holter zu sein vermag, ohne jemals peinlich zu werden. Barock-Bezüge, große Gefühlen und Hunde-Videos sind eben nicht nur wulstiger Selbstausdruck, sondern sind in ein vielleicht krudes, aber konsequent umgesetztes Konzept eingebettet, das wiederum zutiefst infektiös ist. Julia Holter macht auf »Have You In My Wilderness« Musik, um dazu in stürmischen Herbstnächten durch leere Großstadtstraßen zu tanzen und sich dabei ein bisschen kitschig und kein bisschen peinlich vorzukommen. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: 3CD | 3LPDas meistgehypte Album des Jahres kam von Kamasi Washington, der durch seine Zusammenarbeit mit Kendrick Lamar einem größeren Publikum bekannt wurde. Ein kluger Schachzug von Brainfeeder, dennoch ist „The Epic“ ein gelungenes Werk, weil es zu überraschen versteht. Mehr kann man von Jazz nicht erwarten. Hier wird kollektiv der Spaß an der Improvisation zelebiert, ohne die Hörerschaft abzuhängen. Große Kunst. Tobias Kirsch
Find it at hhv.de: LP Das Album ist im Techno eine noch größere Hürde als womöglich in jedem anderen Genre. Es darf keine lockere Ansammlung von universal einsetzbaren Erzählbausteinen sein, sondern muss auf irgendeine Art für sich eine Geschichte erzählen. Kangding Rays »Cory Arcane« kommt mit einer schwurbelig erzählten Story von Transgender und Krypto-Anarchismus daher, setzt diese allerdings so gekonnt um, dass alle Manierismen schnell verziehen sind. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: 12inch Future-R&B ist längst einfach ganz normaler R&B. Aber eine ist allen weiterhin Lichtjahre voraus: Kelela. Auf »Hallucinogen« verdichtet sie ihren Entwurf auf seine Essenz. Es ist faszinierend, wie man mit solch körperlosem, fast künstlich-sterilem R&B, so groovige, einnehmende, zupackende Vibes erschaffen kann. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: CD | 2LP Mit »To Pimp A Butterfly« hat sich Kendrick Lamar ein Denkmal erschaffen, dass Rap-Nerds wie Literaturwissenschaftler für Jahrzehnte beschäftigen wird. Anstatt ein Album voller Club-Tracks aus der Sureshot-Schublade zu ziehen, stilisierte sich K.Dot auf diesem Free-Jazz-Orakel zum Künstler/Kulturbotschafter, der aufgerüttelt, angegriffen und hoch emotionalisiert, sich selbst, die afroamerikanische Community und schlussendlich die ganze Welt einem Ego-Involvement-Seminar unterzog. »To Pimp A Butterfly«, das Anti-Album, das politisches Statement, das Vermächtnis, welches in all seiner geschichtsbewussten Musikalität vor allem auch ein Beweis dafür ist, dass Kendrick Lamar der beste und wichtigste Rapper seiner Generation ist. Fionn Birr
Find it at hhv.de: LP Eigentlich kommt er ein bisschen zu spät: Knowsum schielt mit seinem Beitrag zur HiHat-Club-Reihe eindeutig in Richtung FlyLos Lala-Land aus Beats, Samples, psychedelischen Xylophon und Co.-Einheiten und einer Vorliebe für 8-Bit. Als Hommage an die auf »Cosmogramma« und »Los Angeles« erträumte Version der City Of Angels ist »Hyasynthus« allerdings on point – und so gut hat diese Spielart von Beat-Musik 2015 sonst kaum einer hingekriegt. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: 2LP Der kalifornische Beatmaker Knxwledge feiert nach zig Tapes und Remixes mit »Hud Dreems« seinen Einstand bei Stones Throw. Das Album besteht aus 26 fragmentarischen Tracks. Sie sind in vieler Hinsicht eine Einladung. Zum Treiben lassen oder zum Antreiben. Oder um mit Vocals veredelt zu werden. Das brauchen sie aber gar nicht: Sie funktionieren wunderbar in ihrer instrumentalen Form. Ihr souliger Flavour geht eine mitreißende Allianz mit detailverliebten Drum Pratterns ein, was vielschichtige, spannende Blüten trägt. Christian Neubert
Find it at hhv.de: LP Manchmal ist Stille das bestmögliche Instrument. Auf »The Summoner« wiegt der Belgier Kreng ohrenbetäubende Stille gegen einen elegischen, wuchtigen Lärm auf. Die Resultate sind verheerend. Von an Penderecki erinnernde Streicher-Kakofonie bis hin zu markigem Doom Metal spannt dieses Album einen großen Bogen, der deshalb so mächtig im Raum steht, weil es rund um ihn herum nervös knistert. Besser lässt sich Schmerz mit Musik kaum ausdrücken und erst recht nicht überwinden. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: LP | 2LP Auf der Bühne und in Interviews kommt Kurt Vile zwar wie der Prototyp eines verpeilten Slackers rüber, seine Alben allerdings überzeugen stets auf ganzer Linie; sie werden sogar immer besser. Grüblerisch umkreist er die großen Themen des Lebens, mal tieftraurig, mal humorvoll. Sein charakteristisches, am Banjo geschultes Fingerpicking bildet oftmals das musikalische Gerüst, doch auf »B’lieve I’m Going Down gibt es auch vom Piano getragene Songs. Allem voran die Produktion, die so schön nach 70ies klingt, macht dies zu seinem bisher besten Album. Martin Silbermann
Find it at hhv.de: LP Freundlich gestimmt ist Len Leise, der für die neue Mini-Alben-Serie auf International Feel in erster Linie seine Reisen vertont hat. Balearen, Afrika, Brasilien – überall treibt sich der Len herum, immer gebettet auf luftige Melodien und diese typische Urlaubsgelassenheit in der man auch gedankenverloren nur mit der Schulter zuckt wenn das iPhone beim Schwimmen mit dabei war und einen die gegrillte Ziege Immodium Akut schmerzlich vermissen lässt. Music to schaumbaden to, schubbidu. Gleichzeitig aber auch das beste Music From Memory-Album des Jahres, das nicht dort erschienen ist. Florian Aigner
Ami-Rap-Klischees in den eigenen Lyrics ad absurdum zu führen, ist längst nicht mehr innovativ. Nichts Neues also bei LGoony. Falsch: Denn bei ihm ist es mehr als das. Der junge Kölner erträumt sich aus seinem Schlafzimmer heraus sein Goonyverse nicht nur aus Migos-Flows und gestohlenen Adlibs, sondern erzeugt mit lyrischer Schärfe Farben und Bilder, ein atmosphärisch dichtes Gesamtwerk. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: CDGroßmäuler gibt es im HipHop wahrlich genug; starke, selbstbewusste Frauen hingegen sind (noch) Mangelware. Deshalb ist Little Simz’ Erscheinen auf der Bildfläche umso erfrischender. Auf ihrem Debüt reißt sie den Mund so weit auf, dass ihre Kritiker wohl erstmal keine Luft mehr kriegen dürften. Mit umwerfendem Flow stellt sie ein ums andere Mal klar, dass Frauen auf dem Vormarsch sind – natürlich mit Little Simz selbst als Königin an der Spitze. So egozentrisch und großspurig sollte man/frau natürlich nur auftreten, wenn Substanz hinter den Sprüchen. Martin Silbermann
Find it at hhv.de: LP Die Weltenbummler von LV waren erneut unterwegs und haben die Klänge des armenischen Jazz-Pianisten Tigran Hamasyan mit nach London genommen. Statt synthetischem UK Garage und Grime gibt es diesmal einen bunten Musikcocktail mit organischem Einschlag. Verspielte Melodien und harmonische Klänge verheddern sich dabei in gebrochenen Beats. Bevor das ganze in die Schublade der Weltmusik abrutschen kann, haben die Jungs zum Glück nicht vergessen, wo sie eigentlich herkommen. Damit bringen sie uns mit »Ancient Mechanisms« das spannendste musikalische Experiment dieser Art seit »Mala in Cuba«. Henning Koch
Find it at hhv.de: 2LP Instrumentalen Hip-Hop und Modern Jazz haben schon viele Musiker zusammengebracht, aber selten auf so relaxte und organische Weise wie Makaya McCraven. Der Drummer, seit Jahren einer der gefragtesten Sessionmusiker Chicagos, zerlegt die Aufnahmen ausgedehnter Jams von 28 seiner Livekonzerte in ihre einzelnen Bestandteile und schiebt wohlig wabernde Bassläufe oder repetitive Drumpatterns in den Vordergrund. So entsteht ein groovebetonter Jazzsound mit Gästen an Saxophon, Gitarre und Vibraphon, ganz ohne elektronische Beats. Jan Paersch
Find it at hhv.de: ###HHV:421648:LP##+ Zwei Kongolesen treffen auf Doctor L alias Liam Farrell, der auch schon mit Tony Allen gearbeitet hat. Das Ergebnis ist Mbongwana Star, ein spannender Hybrid aus elektronischen Sounds, Fuzzgitarren, Punk-Attitüde und vielem mehr. Der Titel hat den Wandel im Titel und so ist diesem Projekt ein Debüt gelungen, das gängige Afrikaklischees im positiven vermeidet. Tobi Kirsch
Find it at hhv.de: #LP Zurückhaltung können andere. Mumdance & Logos gehen lieber vorwärts und ab durch die Decke. Die Zutaten sind auf »Proto« genau so frühe 1990er Jahre wie neues Jahrtausend. Synthesizer und Drum Machines ringen mit Laptops und MacBooks, bis das gesamte Hardcore Continuum explodiert. Militarismus für die Tanzfläche und Schocktherapie für die Ohren. Dabei zerfällt das Album jedoch nicht in seine einzelnen Bestandteile, sondern wird gekonnt arrangiert und zusammengehalten. Die atemlosen Grime-Stakkatos von Mumdance und die eiskalten Kompositionen kurz vor dem Gefrierpunkt von Logos vereinen sich hier zu einer wegweisenden Hardcore Rave Referenz. Henning Koch
Find it at hhv.de: LP Machen wir eine lange Geschichte kurz: Nils Frahm hat mit einem besonderen Klavier (Klavins M370) ein besonderes Album aufgenommen. Reine Klaviermusik halt. Still, voll Raum, elegant und fragil. Der Titel Sexiest Man in Germany 2015 geht hiermit an Nils Frahm, denn: Wer würde zu »Solo« nicht dahin schmelzen? Philipp Kunze
Find it at hhv.de: 2LP Chefprankster und Appropriationseklektiker Daniel Lopatin geht mit jedem neuen Album einen Schritt in fünf verschiedene Richtungen, selten aber war ein Album so konsequent darin wie »Garden Of Delete«. Oneohtrix Point Nevers große Abrechnung mit allen lächerlichen Rock-Tropen der Musikgeschichte ist ein einziger Digital-Abfuck und klingt doch lebendiger als jede Triple-Gatefold-LP mit schweißgetränktem Mammut-Rock es je sein könnte. Kristoffer Cornils
Find it at hhv.de: 2LP Ein junger Holländer hat auf einem längeren Zwischenstopp bei Muddern und nach einem Akte X-Marathon mal eben so das beste House Album des Jahres produziert. Palmbomen II gibt jeder seiner an Legowelt, Larry Heard und L.I.E.S. geschulten Lo-Fi-Skizzen den Namen eines Nebencharakters aus Pro7s ehemaligem Montagabend-Straßenfeger und sorgt so nicht nur nominell für Stringenz. Das erinnert in seiner new-agigen Schluffiness manchmal an das erste Album von Maxmillion Dunbar und das ist in unserer Welt immer noch ein Ritterschlag. Florian Aigner
Rafael Anton Irisarri »Fragile Geography« ist wie die Gezeiten: Auf unerklärliche Weise erscheint es einfach still, wirkt im Dunkeln und dabei mit einer Macht, die Ozeane versetzen kann. Man erstarrt vor der Erhabenheit dieses Albums. Ein trauriger Gigant, ein melancholischer Riese. Gleichzeitig voller Schönheit und Zerstörungskraft. Das intensivste Ambient-Album des Jahres. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: LP Wenn man sich bis zum Recherchecheck für diesen Text sicher war, dass Reginald Omas Mamode IV einmal Mitglied von Sa-Ra Creative Partners war, zu dem Zeitpunkt als Kanye West alle seine zukünftige Musik von diesen produzieren lassen wollte, ist man a) ein lausig vorbereiteter Journalist und b) eigentlich schon durch mit dem wichtigsten, was es über »All Together« zu sagen gibt. Das ist genau dieser geil körperliche Future Funk, den Prince heute machen sollte, mit dieser lauten, leicht verspäteten J Dilla-Clap, den sexy genölten D’Angelo-nach-dem-Aufstehen-Vocals und genug Drive um auch in einem untertourigen Boogie-Set Akzente zu setzen. Florian Aigner
Find it at hhv.de: 2LP und CD Eine Rückbesinnung auf bewährte Techniken muss nicht in Nostalgie enden. Der britische Produzent Romare schafft es auf seinem Debütalbum »Projections« aus dem Stand, die guten alten Sampling-Tugenden als das neu auferstehen zu lassen, was sie eigentlich sind: liebevoll zusammengesuchte Collagen-Kunst, die bei ihm mühelos zwischen Blues, House, Disco, R & B und Gospel hin und her wechseln kann. Und Romare schafft es sogar, Nina Simone zu samplen, ohne cheesy zu wirken. Man kann es nur wiederholen: Klassiker. Tim Caspar Boehme
Find it at hhv.de: LP+CD Schnipo Schranke wollen erfolgreich sein. Also machen sie eingängige Pop-Musik. Das Revolutionäre an »Satt«: Um alle zu erreichen, drücken Daniela Reis und Fritzi Ernst einfach aus, wie sehr sie zu allen gehören. Denn wie alle lieben sie und wie alle scheitern sie. Kleine Geschichten mit großer Kraft in Zeiten der Selbstoptimierung und des Gegeneinanders. Oder wie es Kollege Cornils so wunderbar ausgedrückt hat: Schnipo Schranke glauben an die Utopie, dass sich über jedem stinkendem Genitalbereich irgendwo ein Herz befindet, das mit einem anderen kompatibel ist. Philipp Kunze
Find it at hhv.de: LP Zwanzigjähriges konnte Editions Mego in diesem Jahr feiern, und dass dessen Quintessenz ausgerechnet von einem Neuzugang formuliert werden würde, geschah so nebenbei wie folgerichtig: Es war und ist ein Label der Entdeckungen. Dessen musikalischen Ursprüngen verlieh der anarchisch rotzige, dabei erfrischend variable Querfeldein-Electro von Craig Clouse aka Shit & Shine jedenfalls ein entwaffnend unbekümmertes und vorwärtsdrängendes Update. 2015 galt erst recht: Wer braucht schon saubere Produktion? Den Albumtitel des Jahres gibt’s obendrauf. Peter Gebert
Find it at hhv.de: 2CD Vince Staples sei das unsägliche Doppelalbumsformat verziehen, weil »Summertime 06« selbst auf zwei CDs nur sechzig Minuten Aufmerksamkeit einfordert und tatsächlich verschiedene Handlungsstränge verfolgt. Es wurde viel geschrieben, wie geschickt Vince Staples die Bloods & Crips-Kultur reflektiert, wie er offen und wunderbar zynisch Heuchelei nicht mit dem Zeigefinger, sondern einem Old English in der Hand kommentiert und trotzdem so nah an der Corner geblieben ist, wie Kendricks »Good-Kid«-Protagonisten. Folgerichtig entsteht hier also auch kein Bruch, wenn Staples im einen Moment rollig am Pool steht und im nächsten hektisch durch Long Beach hetzt, musikalisch wie lyrisch. Wäre Earl Sweatshirt nicht exklusiv mit sich selbst beschäftigt, hätte er genau dieses Album gemacht. Florian Aigner
Find it at hhv.de: LP Es klirrt, kratzt und hallt an allen Ecken. Visionist hat mit seinem ersten Album »Safe« bei Pan ein gutes Zuhause gefunden. Er nutzt den gesamten Grime-Baukasten, ohne daraus Grime Beats basteln zu wollen. Stattdessen erforscht er sein eigens Innenleben und fasst seine persönliche Angststörung in fremdartige, teils unangenehme klangliche Strukturen. Verquere Rhythmen und atonale Melodien werden von messerscharfen Synthesizer-Spitzen durchbohrt. Das Resultat ist ein ernstzunehmendes persönliches Statement, das aufrüttelt und erschüttert. Eine Therapiesitzung der audiophilen Art. Henning Koch
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