New Record Labels – Miasmah, WSP Entertainment, Karlrecords, 905 Tapes

Jeden Monat stellen wir Euch Plattenlabels vor, die neu bei uns im hhv.de Shop vertreten sind und/oder deren Entdeckung sich unbedingt lohnt. Die Auserwählten in diesem Monat: Miasmah Recordings, WSP Entertainment, Karl und 905 Tapes.
Miasmah Recordings ist ein 1999 von Erik K. Skodvin in Oslo zunächst als Open-Source-Netlabel gegründetes Plattenlabel aus Berlin. Seit 2006 veröffentlicht Miasmah experimentelle Musik auch in physischen Formaten. »Es fing alles damit an, dass ich meine eigenen Schlafzimmerkompositionen und grafischen Arbeiten veröffentlichten wollte«, erinnert sich Erik Skodvin Mitglied des norwegischen Ambient-Projekts Deaf Center Im Laufe der Zeit veröffentlichte Erik Skodvin, inzwischen in Berlin beheimatet, zunehmend die Musik anderer Menschen. »Angetrieben wurde ich von der Neugier und der Liebe zu neuen, aufregenden und seltsamen Klängen. Mein Ziel mit Miasmah ist es, eine eigene surreale Welt aus Sound und Bildern zu schaffen und Menschen zu finden, mit denen ich gemeinsam arbeiten und wachsen kann«, erklärt er. Der Wechsel auf physische Formate ergab sich erst, als Erik Skodvin für John Twells‘ Label Type die Compilation »Silva« zusammenstellte und dieser ihn mit einem Vertrieb in Verbindung setzte. »Die digitalen Releases stellte ich danach ein – die Netlabel-Szene war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr das, was sie noch Ende der Neunziger oder in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends gewesen war.«_

Bei Miasmah geht es Skodvin um Qualität statt Quantität, wie auch der verhältnismäßig schmale Backkatalog nahelegt. Wichtig ist ihm, dass die Künstler hier eine ganz eigene Stimme sowie einen Sinn fürs Abenteuerliche mitbringen. Stilistisch ergibt sich so ein gleichermaßen rundes wie disparates Bild: Neben den Ambient-Exkursionen des Slowdive-Drummers Simon Scott stehen die düsteren Sample-Exzesse des Belgiers Kreng oder aber Song-orientiertere Ansätze wie sie etwa auf den Alben Kaboom Karavans zu hören sind. Neben seinen eigenen Arbeiten unter dem Pseudonym Svarte Greiner und als Teil der Gruppe B/B/S mit Aidan Baker und Andrea Belfi sind es vor allem gute Bekannte, die für ihre unkonventionellen musikalischen Ansätze auf Miasmah ein Zuhause finden. Menschen, mit denen Skodvin selbst oft zusammengearbeitet und zeitgleich gewachsen ist also. ■ Kristoffer Cornils


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Jetzt nicht mehr ganz so neu bei uns im Sortiment, aber bei uns noch nicht ausführlich gewürdigt: WSP Entertainment ist ein auf Hip Hop spezialisiertes Plattenlabel aus Heilbronn. Das Plattenlabel wird geführt von Michael ›Ed‹ Brähne. Es wurde 2014 ins Handeslregister eingetragen. Die Geschichte des Labels beginnt allerdings schon einige Jahre zuvor. WSP Entertainment ist die Konsequenz aus dem losen Zusammenschluss einiger Hip Hop-Begeisterter, welche vor allem ihre dringend benötigte Studiozeit in Heilbronn finanzieren mussten. Die dafür ins Leben gerufenen, »Wortsport Lounge« genannten Partys finden seit 2002 Monat für Monat (ohne auszusetzen) in Heilbronn und Umgebung statt. Das Booking wird seither von Labelchef Michael ›Ed‹ Brähne durchgeführt. Von den Stieber Twins über Torch bis SSIO, Karate Andi und Money Boy waren über die Jahre das Gros der Deutschrapkünstler dabei.

Aus diesem losen Zusammenschluss von Hip Hop-begeisterten Menschen wurde schließlich ein Plattenabel: Wortsport Productions. Der Grund: Zum Pressen von Schallplatten braucht es halt ein Label. Und die Raps und Beats aus Heilbronn wollten relativ schnell, relativ viele Menschen gerne kaufen. _»Mir lag der Organisations- und Management-Part einfach am meisten – die anderen wollten nur Musik machen«, erklärt Michael ›Ed‹ Brähne heute seine Rolle. Mit der Zeit stiegen die Ambitionen und das Plattenlabel wollte sich weiterentwickeln. Management, Booking und Verlagsaufgaben kamen hinzu und so verfolgte Wortsport Productions mehr aus der Notwendigkeit heraus als aus wirtschaftlichen Aspekten bereits einen 360 Grad-Ansatz. Das war noch zu einer Zeit, als viele andere noch meinten, Napster und Co. wäre kein Problem für Plattenlabels und die Musikindustrie.

Mit der Zeit wurde die Resonanz immer größer. Künstler wie Dexter, Sonne Ra, Demograffics, Juke & Imun, Waldo the Funk, Döll oder Mädness wurden in die familiären Strukturen aufgenommen und sind heute nicht mehr aus der WSP-Crew wegzudenken. Als man bei WSP die Tendenz erkannte, in die reine Boom Bap Ecke abgeschoben zu werden, ging man den nächsten Schritt und änderte den sehr an die Neunziger gemahnenden Namen Wortsport in WSP Entertainment. Ein Schritt, der sich als klug erwiesen hat. Heute steht WSP Entertainment bei Künstlern, Industrie und Fans als Geschmacksinstanz in Sachen Beats und Rapsund hat Heilbronn auch im Rest von Hip Hop-Deutschland bekannt gemacht. ■ Sebastian Hinz


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Karlrecords ist ein 2006 von Thomas Herbst gegründetes, auf experimentelle Musik spezialisiertes Plattenlabel aus Berlin. Ein paar Jahre lang trug Thomas Herbst die Idee für ein eigenes Plattenlabel mit sich herum, zur Gründung kam es dann jedoch eher spontan: Auf dem Moers Festival sprach er 2006 den Komponisten Bill Laswell an, ob dieser nicht Lust auf eine Vinylveröffentlichung hätte. Bill Laswell hatte. »Mit deinem Helden dein Label zu starten ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich werde nie vergessen, wie berauscht ich damals war«, erinnert sich Thomas Herbst. 2007 erschien Bill Laswells Kollaboration mit Submerged als erstes Release auf Karlrecords, das Herbst allein betreibt. Hilfe erhält er dabei von Promoter Ed Benndorf und Roland Küffner, der ihn technisch und bei der Covergestaltung unterstützt. Die liegt Herbst besonders am Herzen, denn Einfallslosigkeit ist seine Sache nicht. »Was ich nie verstanden habe: Warum sich Leute 12inches mit weißem oder schwarzem Lochcover ins Regal stellen. Ich bin definitiv ein Album-Hörer und ein Album sollte nicht nur musikalisch gut sein, sondern auch ein stimmiges Cover haben«_, erklärt der Labelbetreiber.

Dass bei Karlrecords überwiegend Vinyl-Releases erscheinen, begründet Herbst mit seiner Biografie: »Ich bin als Jahrgang 1974 mit LPs aufgewachsen. Als ich Ende der Neunziger auf Bill Laswell und John Zorn aufmerksam wurde, gab es deren Sachen ja fast nur auf CD und ich dachte: Das hätte ich gerne auf LP! Wenn das kein anderer macht, sollte ich es einfacher selber angehen.« Gesagt, getan. Dass sich also viele Reissues im Backkatalog des Labels finden, ist nur verständlich. Neue Releases aber umso mehr. »Ich sehe den Gesamtkatalog als Cluster, das als Ganzes ein weites aber auch kohärentes musikalisches Feld abdeckt«, sagt Herbst über die Mischung, die von Neuer Musik über Industrial bis hin zu echten Perlen wie Morton Subotnicks »Silver Apples Of The Moon« reicht, das erste von einer Plattenfirma in Auftrag gegebene rein elektronische Album.

Die spektakuläre Neuauflage hat eine ähnlich bescheidene Hintergrundgeschichte wie die Gründung von Karlrecords selbst: »Ich habe auf Discogs gesehen, dass die LP seit 1967 nicht wieder aufgelegt wurde. Da habe ich Morton angeschrieben und der war gleich mit im Boot«, erinnert sich Herbst. Das legendäre Album sieht Herbst neben dem ersten Bill Laswell-Release noch heute als eines der wichtigsten in der Geschichte von Karlrecords an, um das sich mittlerweile drei Sub-Serien scharen und das namhafte Acts wie Kammerflimmer Kollektief Zeitkratzer Aidan Baker bis hin zu Steve Reich veröffentlicht hat. ■ Kristoffer Cornils


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905 Tapes ist ein US-amerikanisches, 2008 von Mike Haley gegründetes Plattenlabel aus Wilmington, Delaware. Bevor Mike Haley tief in die internationale Noise- und Synthesizer-Szene abtauchte, lernte er das Labelleben als Betreiber des Hardcore-Imprints Eletric Human Project kennen und damit auch all seine Schattenseiten. »Mitte der Nuller Jahre schienen die Leute faul und unselbstständig zu werden. Nach zwei Tagen kam eine E-Mail, ob die Bestellung schon raus sei, nach fünf eine, wo sie denn bliebe oder dann eine, dass die Platte zwar da sei, aber nicht in dieser oder jener Farbe. Einmal schrieb mir sogar die Mutter von jemandem, weil nicht die gewünschte Variante ankam«, erinnert sich Haley. Abgehalten hat ihn das von nichts, das Format hat er trotzdem gewechselt. Auf die Frage, warum er bei der Gründung von 905 auf Tapes umgestiegen sei, kommt allerdings nur ein trockenes »Warum nicht?«_ zurück. Seit 2014 wird er bei seiner Arbeit vom Tattoo-Artist Joe B unterstützt, der sich um die Gestaltung der Tapes kümmert und mit dem Mike Haley bis 2008 unter dem Namen No Horse Shit Musik machte.

Von den grell aufgemachten Kassetten sind allein in den ersten zwei Jahren seit Gründung fast 100 Stück erschienen, darunter Releases vom chinesischen Noise-Weirdo Torturing Nurse, dem britischen Abstraktler HELM dem Japanoise-Übervater Merzbow und dem hypereklektischen US-Amerikaner Mike Shiflet. »Da ich mittlerweile das Tempo etwas heruntergedreht habe, konzentriere ich mich auf Acts, die ich ‚kenne‘. Ich schreibe das in Anführungszeichen, weil ich mit den meisten nur über das Internet Kontakt halte.« Ob persönlich oder virtuell, der Funken schlägt für Haley jedes Mal aufs Neue über: »Die Mühen und Ideen, die in Sound und Gestaltung gesteckt werden, hauen mich jeden Tag aufs Neue um«, schwärmt Haley über die blühende Subkultur, der er sich verschrieben hat. »Es stagniert nie, ständig passiert etwas. Das lieferte auch die Motivation für mich, das Label zu starten und am Laufen zu halten.« Das tut er nach wie vor mit unermüdlichem Eifer, übt sich aber in Bescheidenheit: »Joe B kümmert sich um die Gestaltung, die Acts um die Musik, National Audio Company um die Tapes, PayPal um das Geld und die Post um den Versand. Fuck, ein 905-Release entsteht komplett ohne mich!« Ganz schön wenig Arbeit um eines der spannendsten Tape-Labels des US-Undergrunds also. ■ Kristoffer Cornils


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