Review

Vladimir Tarasov

Atto IV

Jazzpuu/Sähkö • 2019

Wann hat das eigentlich angefangen mit dem »Ambient Jazz«? Als der Jazz in den 1960er Jahren spirituell-meditativ wurde? Oder als zur Jahrtausendwende Musiker aus Mülheim stark verlangsamte Klänge mit Saxofon hervorbrachten? Irgendwo dazwischen könnte man den »Atto IV« des russischen Schlagzeugers Vladimir Tarasov** ansiedeln. Historisch allemal. Von 1990 ist diese schallplattenfüllende Studie in Raum und Zeit. Aufgenommen noch in der Sowjetunion, in Vilnius, wo Tarasov seit 1971 lebt. Nach den 19990er Jahren klingt das alles nicht, von realistischem Jazzsozialismus ebenfalls keine Spur. Tatsächlich könnte das gut und gern von heute sein. In die Gegenwart passt dieser perkussiv-elektronische Dialog jedenfalls ganz hervorragend, weshalb man den Finnen von Sähkö dankbar sein kann für die Reissue auf ihrem Sublabel Jazzpuu. Sanfte Impulse der Becken, sich im Hintergrund haltende Patterns der Marimba, dazu Synthesizer mit minimalinvasiven Loops. Tarasov spielt alle Instrumente, als da wären Perkussion, Schlagzeug, Elektronisches und Horn – das kommt in der zweiten Hälfte dazu und sorgt für dezente Free Jazz-Anteile. Vom Schlagzeug wird dann auch in dynamischer Hinsicht ziemlich voller Gebrauch gemacht: Nachdem Vladimir Tarasov über weite Strecken sich in leisen, sachten Tönen geübt hat, kommt irgendwann kräftig Bewegung auf. Um gegen Ende hin noch einmal auf die Stille zurückzukommen.