Review

Joe McPhee

Nation Time

Superior Viaduct • 2019

»What time is it?« Der Mann ist echt geladen. »C’mon, you can do better than that. What time is it?!«. Die Studenten des Vassar College, einer Eliteschule in New York, wissen gar nicht, wie ihnen geschieht, als kurze Zeit später ein musikalischer Wirbelsturm auf sie herein bricht. Die Aufnahmen zu Joe McPhees Debüt erschienen erstmals 1971. Der Titel »Nation Time« bezieht sich auf ein Gedicht des amerikanischen Schriftstellers und politischen Aktivisten Amiri Baraka. Musikalisch kamen zu diesen Aufnahmen gleich zwei Bands und insgesamt acht Musiker zum Zuge. Eine auf elektrische Gitarren und Orgel basierende Free Funk-Formation und eine klassisch akustisch ausgerichtete Jazzcombo mit dem Pianisten Mike Kull sowie zwei Perkussionisten, Bruce Thompson und Ernest Bostic, die eine tobende und groovende Kombination aus Funk und Free Jazz irgendwo zwischen James Brown und und Archie Shepp ablieferten. Schon der Titeltrack ist wilder tanzbarer Soul-Jazz samt eines losgelösten Saxophon-Solos von Joe McPhee, das an Ornette Coleman denken lässt und die Musik schier zum Explodieren bringt. »Shakey Jake« wurde am nächsten Nachmittag ohne Publikum aufgenommen. Sein vielschichtiger Groove verleiht dem Track eine stoisch repetitive Funkiness. Zusammen mit sich ineinander verdrehende Instrumentalsoli ergibt sich eine unglaublich kreative Nervosität und damit eine ganz besondere Kraft. »Scorpio’s Dance« schließlich löst zugunsten einer atmosphärischen Kollektivimprovisation jegliche Funk-Strukturen auf und basiert die Solo-Arbeit der Melodieinstrumente auf die an- und abschwellende, straight treibende ausufernde Rhythmusarbeit der beiden Schlagzeuger.