Review

John Coltrane

Blue World

Impulse • 2019

Ein bisschen verwirrend ist es schon, dass mehr als 50 Jahre nach seinem Tod neuerdings im Jahresrhythmus bisher unveröffentlichte Platten von John Coltrane herauskommen. Nach »Both Directions at Once: The Lost Album« jetzt also »Blue World« aus dem Jahr 1964, eingespielt mit seinem Quartett zwischen dessen Klassikern »Crescent« und »A Love Supreme«. Wieder handelt es sich in erster Linie um alternative Fassungen bekannter Coltrane-Nummern, allen voran »Naima«, das hier in zwei verschiedenen Versionen zu hören ist. In gleich drei Takes gibt es den »Village Blues«, der, wie das ebenfalls vorhandene »Like Sonny«, zuerst 1961 auf »Coltrane Jazz« erschien. Einzig »unbekannt« ist das Titelstück. Die Aufnahmen entstanden im Auftrag des kanadischen Filmemachers Gilles Groulx, der Teile davon für den Soundtrack seines Spielfilmdebüts »Le chat dans le sac« nutzte. Besonders schön in der ersten Variante von »Naima«, trotz leicht lädierten Tonbands, wie Coltranes Saxofon und Elvin Jones’ Schlagzeug immer wieder rhythmisch gegenläufig arbeiten und die Nummer so in eine dezent desorientierende Richtung lenken. »Blue World« schließlich ist im Wesentlichen eine verlangsamte und insgesamt ruhigere Version von »Out Of This World«, ein sich nach und nach steigerndes Solo Coltranes über einer ostinaten Figur der Rhythmusgruppe. Auf den bekannten John Coltrane bekommt man so erneut eine leicht veränderte Perspektive. Und bei Coltrane lohnt das allemal.