Review

Franz Scala

Mondo della Notte

Bordello A Parigi • 2020

Italo Disco wird gerne mit dem dolce vita assoziiert, mit Strandurlaub und Zuckerrand. Doch entstand das Genre in der industriellen Hochburg Italiens, Mailand, und war genauso von einem utopistischen Futurismus geprägt, der in seinen extremsten Zurschaustellungen gerne mal ins Dystopisch-Melancholische herüberkippte. Franz Scala kennt als versierter DJ all die manchmal auch sehr dunkelbunten Facetten des Stils und dekliniert sie auf seinem Debütalbum unter dem vielsagenden Namen »Mondo della Notte« konsequent durch. Das Sounddesign orientiert sich an der klassischen, artifiziell-synthetischen Hardware-Ästhetik der frühen Achtziger, stilistisch werden Vorgänger- und Nachfolgegenres wie Disco und House ebenso mitgedacht wie der New-Wave-Craze, der das Land parallel zum Italo-Disco-Höhepunkt erfasst hatte. Der bisher nur vereinzelt als Produzent in Erscheinung getretene Wahlberliner beweist sich deswegen als guter Arrangeur, weil er über acht Tracks hinweg keine Formeln aus der Vergangenheit verwendet, sondern aus ihnen stattdessen etwas Neues abstrahiert. »Mondo della Notte« ist dankenswerter Weise kaum nostalgisch, sondern vielmehr von einer Lust an der produktiven Arbeit mit bestimmten Klangelementen und Tropen der Vergangenheit geprägt. Ähnlich wie zuletzt Krystal Klear gelingt dem Slow-Motion-Gründer durchaus der eine oder andere sichere Hit für die Open-Air-Saison, doch schwebt über den straff produzierten Rhythmen immer auch ein kalter Hauch der Enttäuschung darüber, dass die Versprechen der früheren Italo-Disco-Visionen niemals eintraten und das dolce vita weiterhin ein Traum bleiben muss. Das hätte sich wohl auch niemand denken können: Dass am Ende des Jahres 2020 eine definitiv tanzbare Italo-Platte als konziser Gegenwartskommentar gelesen werden kann.