Review

Tiziano Popoli

Burn the Night / Bruciare la Notte. Original Recordings, 1983-1989

RVNG Intl. • 2021

Die Musik von Tiziano Popoli ist so etwas wie ein produktiver Auffahrunfall zwischen Pierre Schaeffer, Steve Reich, Tangerine Dream und Klein + MBO. Technologischer Avantgardismus, eine unstillbare Lust an den Formen des Minimalismus, schwammige Aufbruchststimmung und nicht zuletzt ein schräge Affinität für Pop zeichnen das Werk des Italieners aus, dessen Schaffen zwischen den Jahren 1983 und 1989 RVNG Intl. gemeinsam mit dem Reissue-Sublabel Freedom to Spend auf der Compilation »Burn the Night / Bruciare la Notte« neu erfahrbar macht. Unter den 14 Stücken klingt keines wie das nächste, die Methoden aber ähneln sich: Ob aufwändige Sample-Collagen, preziöse Electro-Pop-Perlen oder schwurbelige Anflüge von dramatischem Synthie-Krautrock – Popoli war von der Kraft der Wiederholung von musikalischen Phrasen ebenso fasziniert wie ihn die Integration vermeintlicher Gegensätze interessierte. Dudelige Fahrstuhlmusik trifft auf schleppenden Düster-Dub, banale Alltagssounds und schiefer Gesang werden in bierernste Kompositionen hereingesampelt. Da gewinnen selbst pathetisch-schwülstige Slo-Mo-Goth-Balladen wie »Night Flight – Prozession« trotz oder gerade wegen ihres dilettantischen Einsatzes von Gesang eine Qualität, die irgendwo zwischen avantgardistischer Konzeptionalität und popkultureller Emotionalität zu vermitteln scheint. Es ist Musik, die sich auf dem Papier spannend liest und in der Praxis tatsächlich absonderlich einnehmend wirkt. So schwierig es sicherlich sein mag, aus all dem eine kompositorische Haltung zu abstrahieren, so einfach fällt es auch, den kreativen Anarchismus Popolis in seiner vollen Disparität für sich stehen und wirken zu lassen.