Review

Vril & Rødhåd

Out Of Place Artefacts

WSNWG • 2020

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Mechanismus von Antikythera vor der griechischen Küste aus dem Meer geborgen wurde, warf das viele Vorstellungen der orthodoxen Archäologie und Kulturanthropologie über den Haufen. 1700 Jahre bevor Europa allmählich aus dem Albtraum des Mittelalters erwachte, war man in Griechenland offenkundig schon sehr viel weiter und berechnete mit analogen Computern die Himmelsbewegungen von Sonne, Mond und Planeten. Derartigen »Out Of Place Artefacts«, die es eigentlich nicht geben dürfte, widmen zwei der begabtesten Produzenten Deutschlands nun ein Konzeptalbum, das mittels mystischer Pad-Texturen, delikat modulierter Synths und Beatsequenzen völlig idiosynkratische Formen von außerirdischem Ambient Techno aufspannt. Bis hierher eigentlich nichts Neues. Sowohl *[Vril](https://www.hhv-mag.com/de/glossareintrag/6529/vril) als auch Rødhåd tätowierten schließlich in den letzten Jahren immer wieder eine völlig eigene Signatur in das, was mit modernen Produktionsmitteln gegenwärtig so möglich ist – und gingen dabei jedes Mal weit über alles hinaus, was gemeinhin von vorwärtsdenkender Clubmusik erwartet wird. Der eine als Prophet industriell verwaschener Zukunftsvisionen, der andere als Alchemist delikatester Klangverbindungen jenseits jeder Selbstreferenzialität. Leicht hätte die Kollaboration beider also zu einem überproduzierten Süppchen verkommen können, von denen im Kopftechno ohnehin seit Jahren zu viele ausgeschenkt werden. Wie sie es mit diesem Album dennoch geschafft haben, ein aufs letzte Grämmchen exaktes 50/50-Amalgam ihrer jeweiligen Einflüsse auszutarieren, kann nur verblüffen. So gelingt »Out Of Place Artefacts« tatsächlich beides: Ein Maximum an kosmischem Futurismus beschwören, gleichzeitig aber wie der Score zu einer noch nicht verfilmten Weltmeditation Marke Tarkowski raunen. Dass diesem Duo in den Feuilletons nicht die gebührende Aufmerksamkeit für ein solch, pardon, verficktes Meisterwerk zuteilwird, ist in einer Ära, die Autos und Flugzeugen mehr Wert als Kunst und Kultur beimisst, kein Wunder. Dieses Album ist es schon.