Review

Arthur Verocai

Saudade Demais

Kissing Fish • 2020

Fanfaren tröten von den Dächern, der Rum rinnt die Kehle runter – wenn Arthur Verocai zum Bossa Nova ruft, streift man sich das Faschingskleid von letztem Jahr über und tanzt Samba die ganze Nacht. Natürlich geht es bei Brasiliens heimlichen Musikstar um Liebe, Liebe, Liebelei. Wer bei dem schummrigen Geschunkel nicht sofort an prä-koitalen Flüssigkeitsaustausch unterm Zuckerhut denkt, hat den Keuschheitsgürtel zu eng geschnallt. Oder predigt Salzplörre. »Saudade Demais«, unendlicher Weltschmerz und Melancholie nach drei Nächten auf reingewaschenem Urwald-Koks, klimpert mit den Wimpern, kippt die Hüfte zur Seite und reißt sich das Hemd mit einer Hand vom Oberkörper. 2002 erschienen, legt es das japanische Label Kissing Fish neu auf. Die Platte war der Auftakt für Verocais Spätwerk und entstand nach dem kommerziellen Desaster in den 70ern mit einem Budget, das man in einer brasilianischen Bar an einem Abend versaufen könnte. Die Kohle war als soft-pornografisches Musikstück trotzdem besser angelegt. »Saudade Demais« ist ein Album wie ein feuchter Traum unterm Palmenhain. Zeit, um den Sand aus der Unterhose zu kehren.