Review

Alessandro Cortini

Scuro Chiaro

Mute • 2021

Andere machen mit ihrem Gerätpark Musik, Alessandro Cortini macht Gefühle. Seit knapp einem Jahrzehnt nun veröffentlicht Nine-Inch-Nails-Mitglied unter seinem Klarnamen regelmäßig neue Solo-Album, die mit viel Modular-Synthesizer-Sounds das musikalische Pendent zu einem Schaumbad auf MDMA bieten: sehr intensiv, von wunderlicher Schönheit, ein bisschen überfordernd. »Scuro Chiaro« mag eine andere Entstehungsgeschichte als andere Alben haben (Rückgriff auf ein breites Klangarchiv) und sich instrumentell etwas von den Vorgängern unterscheiden (weniger Gitarreneinsatz und stattdessen ein neues, von Cortini mitentwickeltes Effektgerät, als dessen achtteiliger Werbe-Jingle das Album also wohl auch dient), die Resultate sind aber weitgehend dieselben. »Ecco« beginnt noch tastend, mit einem langsamen Beat, viel weißem Rauschen und verhaltenen Drones. »Chiaroscuro« aber lässt elegische Sirenentöne und wuchtige Bässe miteinander harmonieren – ein nahezu klassischer Cortini, langsam, getragen, hyperintensiv und als langes Crescendo angelegt. Es folgen John-Carpenter- beziehungsweise »Stranger Things«-eske Töne (»Lo Specchio«), rhythmische Intermezzi mal fast jazziger (»Corri«) mal morbider (»Sempre«) Prägung, filigrane Polyphonie (»Verde«), noch so ein klassischer Cortini im Dauerüberwältigungsmodus (»Nessuno«) und schließlich ein ahnungsvolles und ungewöhnlich trocken ausgekleidetes Finale (»Fiamma«). So gewohnt emotional überbordend das ist, gibt sich »Scuro Chiaro« doch im Gesamten heterogener als Cortinis vorige Alben, im besseren wie im schlechteren Sinne: In ein Narrativ werden diese feinstofflichen Gefühlsduseleien nicht verpackt, überzeugen aber durch ihre stilistische Bandbreite.