Review

Cass.

Ambient Music For A Young Girl

Growing Bin • 2021

Nach anderthalb Jahren statisch verlaufender Apokalypse machen alle Versprechen auf Neuanfänge entweder über Gebühr euphorisch oder doch zutiefst skeptisch. Den Mittelweg beschreitet lediglich Cass. mit seinem zweiten Album in diesem Jahr, das auf eine Kollaboration mit Niklas Wandt folgt. Seine nach einer Zusammenarbeit mit Gianni Brezzo zweite Veröffentlichung für Growing Bin spricht bereits im Titel deutlich aus, welches neue Lebenskapitel gleichermaßen Anlass für die Komposition der sechs Stücke lieferte, wie sie auch deren Wirkungsabsicht zum Ausdruck bringt. Wobei aber der allzu private Rahmen musikalischen Anspruch auf Allgemeingültigkeit für sich beansprucht und dieses Versprechen auch erfüllt. Denn Niklas Rehme-Schlüter bringt auf diesem Album eben nicht ein Ich mit einem Du in den Dialog, sondern vielmehr die Klangwolken zum Schweben. Sein Ambient-Entwurf ist wattig, weich und vielschichtig, bisweilen von Nostalgie und doch immer auch von einer gewissen Aufbruchsstimmung geprägt. Neugierige Musik, eine Seltenheit. So effektiv wirken kann das auch, weil Cass. einen Background im Club hat und deshalb weiß, dass selbst repetitiv auf und ab wabernde Klangflächen und verhuschte Synthie-Melodien mit Hiroshi-Yoshimura-Note eine rhythmische Erdung brauchen, wie sie selbst dynamische Prozesse anstoßen müssen. Das macht »Ambient Music For A Young Girl« schließlich zu mehr als einem musikalischen Schnullerersatz für den Nachwuchs. Sondern vielmehr zu einem Album, das sich langsam tastend und doch festen Schrittes als gedämpfter Soundtrack jedes Neuanfangs anbietet.