Review

Low

HEY WHAT

Sub Pop • 2021

Langsam aber beständig streifen Low die in Fetzen liegenden Hautschichten ihrer eigenen Metamorphose ab und gebären sich dabei ein ums andere Mal neu. Ganz konsequent, seit bald drei Jahrzehnten. Es ist weniger so, dass Alan Sparhawk und Mimi Parker unentwegt eine klare Stilistik verfolgten und diese lediglich in neue Gewänder kleideten – etwas Substanzielleres ändert sich bei jedem neuen Low-Album. Ob »HEY WHAT« wirklich von der gleichen Band stammt wie »Double Negative« (2018), »Drums And Guns« (2007) oder »The Curtain Hits The Cast« (1996), ließe sich nämlich ohne Hintergrundinformation und nur durch reines Hören kaum sofort sagen. Am ehesten noch anhand der Stimmen und ausufernden Effekte. Doch vieles andere ist erneut ganz anders, erwartungsgemäß. Der Dissonanz des Vorgängers entspringt hier eine zwar verzerrte aber zugleich ätherische Musik, für die das Experiment alles ist. Getrieben von einem absurden Arsenal untereinander verschalteter Pedals, kitzelt Sparhawk im Intro »White Horses« oder dem aus einer ruinierten Zukunft zu uns raunenden »All Night« Klänge von unerhörter Schroffheit und Schönheit, während Parkers Rhythmussektion metertief im Mix vergraben liegt und wuchtige Lebenszeichen in Morseform aussendet. Eine von Elektroakustik, Noise und Drone beseelte Instrumentierung steht auf »HEY WHAT« erneut im krassen Kontrast zu den warmen Vocals, die sich aneinanderschmiegen wie zwei Seelen in romantischer Entgleisung. Zwei auch deshalb, weil Bassist Steve Garrington kurz nach Beginn der Aufnahmen die Band verließ – offiziell aus guten Gründen. Das wiederum zog keine Soundänderung nach sich, viszerale Bassspuren gibt es genug. Wenn »Double Negative« eine bitter emotionale Spiegelung der neofeudalen Ära in den USA war, so ist »HEY WHAT« das Manifest einer noch kälteren Zeit, in der politische und kulturelle Resignation auf pandemischer Skala den Globus flutet. Nichts ist besser geworden. Machtlos schauen wir der Wiederholung von Katastrophen zu. Vor diesem Albumkontext krachen Turmhohe Delays über bassgesättigten Loops zusammen, geben manchmal aber auch den Weg frei für nahezu spirituelle Momente nackter Entrückung, etwa in der zweiten Hälfte von »Days Like These« oder im viel, viel, viel zu kurzen »More«. Worte werfen hier Echos an ihre eigenen Grenzen, um diesem Album irgendwie beizukommen. Es ist Musik sich vermählender Extreme, die zwischen schwarz und weiß changiert wie statisches Schneerauschen, die zum Geborenwerden ebenso passt wie zum Sterben.

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