Review

Jamire Williams

But Only After You Have Suffered

International Anthem • 2021

Der Multi-Instrumentalist Jamire Williams ist, was man einen musician’s musician nennt: Unter anderem haben sich bereits Herbie Hancock, Jason Moran, Christian Scott, Robert Glasper oder Jose James seiner Mitarbeit versichert. 2018 tourte er als Drummer mit Blood Orange, 2019 war er als Produzent an Solange Knowles’ viertem Studioalbum »When I Get Home« beteiligt. Während er sich auf seinem 2016 erschienenen Solodebüt »Effectual« in erster Linie als Perkussionist präsentierte, holt Williams für »But Only After You Have Suffered« weiter aus: Jahrelang ein Aktivposten in den Jazzszenen von New York und Los Angeles, ist der Grenzgänger zwischen Mainstream und Avantgarde vor kurzem in seine Heimatstadt Houston zurückgekehrt und möchte hier erkennbar viele seiner Facetten zeigen: den Producer, den Songwriter, den Interpreten. Auf zwölf Tracks fächert Williams seine Skills auf, an vielen sind Gäste aus unterschiedlichen Stationen seiner Laufbahn beteiligt. So disparat Stücke wie die kunstvoll übersteuerte Hymne »Hands Up«, das andächtig schwebende New-Age-Mantra »Bow« und das von Mic Holden gerappte »Ugly«, mit denen das Album eröffnet, auch wirken mögen, in Summe ergeben sie zwischen Spiritualität und Selbstreflexion ein faszinierendes Porträt des Künstlers als hochempfindlicher Seismograf gesellschaftlicher Befindlichkeiten, Verabredungen und Verwerfungen, vergleichbar mit Werken von Madlib oder Kendrick Lamar. Spezifisch ist die herausfordernde, experimentelle Soundästhetik einer Produktion, die stets an das Bewusstsein für das Prekäre der Tonspur appelliert, die Erinnerung an ihre Brüchig- und Zerbrechlichkeit wach hält und im Loop ihrer Samples aktualisiert. Herausragend: »Pause In His Presence« mit der Opernsängerin Lisa E. Harris und die Bassklarinetten-Coda »And Then The Anointing Fell«. Eine Soul-Spektralanalyse mit langer Nachhallzeit.