Review

Ian Carr’s Nucleus

Roots

Be With • 2021

Ian Carr? Nie gehört? Der Trompeter war aber einer der großen Jazz-Fusionisten im Vereinigten Königreich und überhaupt schon 1969 auf diesem Gebiet als einer der ersten an Stil- und Genrekreuzungen beteiligt, parallel zu und ohne Kenntnis der Innovationen von Miles Davis. Auch in England bedeutete das damals vor allem Beigaben von Funk und Rock. Die waren bei »Roots« von 1973 immer noch bestimmend, die Platte erschien bei Vertigo, dem Progressive Rock-Ableger von Philips. Und gerockt wird auf »Roots« allemal. Wobei nicht ausschließlich. Im Titelstück gibt es gut neun Minuten elastische Funk-Rhythmen mit ordentlichem Bläsersatz und parallel geführten Soli etwa von Gitarre und Trompete. Fließen gut zusammen, auch der Rest der Band verteilt seine Kräfte als Kollektiv sehr ökonomisch. Wenn dann in »Images« die Stimme von Joy Yates zu hören ist, nimmt die Band sich zurück, lässt bei der Dynamik eher an eine Soul-Ballade denken, was dafür mit einigen überraschenden harmonischen Wendungen ausgeglichen wird. Neben dicht-massiven Prog-Jazz-Monolithen (»Caliban«) gibt es mit »Whapatiti« sogar einen in der Hüfte federnden Samba. Passt alles hervorragend zusammen. Nix beliebig, einfach eine Band, die im besten Sinn flexibel ist und keine Angst hat, das zu zeigen. Obwohl Vertigo seine Bestände in den Neunzigern weitgehend digitalisiert hatte, war »Roots«« nicht unter den Reissues. Das haben Be With jetzt dankenswerterweise nachgeholt, auf Vinyl.