Review

Lee Ranaldo

In Virus Times

Mute • 2021

So genannte »Corona-Alben« werden dieser Tage ja zuhauf veröffentlicht – was sollte man als KünstlerIn in den letzten anderthalb Jahren auch anderes machen? Konzerte und Touren abgesagt, Kollaborationen eher schwierig bis unmöglich und selbst die Bandkollegen im Proberaum zu treffen, war für viele wohl nicht drin. Und so präsentiert der (ehemalige) Sonic-Youth-Gitarrist Lee Ranaldo mit »In Virus Times« sein bisher heimeligstes, puristischstes und ungewöhnlichstes (Mini-)Album. Ganz allein mit seiner Gitarre entwirft Lee Ranaldo eine vierteilige Instrumental-Suite, die sich kontemplativ und selbstgenügsam über 22 Minuten langsam und bedächtig ausbreitet. Akkorde hängen lange in der Luft und klingen sachte aus, sphärisch-hohe Flageolett-Töne formen die Melodien und selbst Details wie zu harte Anschläge hört man durch das eigentümliche Schnarren der tiefen Saiten am Bund deutlich heraus. Tatsächlich gelingt es Ranaldo mit diesen minimalistischen Mitteln die teils konträren Stimmungen dieser unserer Zeiten des Virus ziemlich genau einzufangen: Da ist Rückzug, Einkehr und Besinnlichkeit, aber eben auch Einsamkeit und Isolation herauszuhören. Das langsame Tempo passt zudem zum weit verbreiteten Eindruck, dass in der heimischen Zurückgezogenheit die Zeit an sich nur sehr schleppend vergeht. Zuhause allein auf der Gitarre klimpern, 6 Saiten für ein Halleluja – treffender kann beinahe kein »Corona-Album« klingen.