Review

Esmerine

La Lechuza

Constellation • 2011

Manchmal entsteht aus der Asche unsagbaren Unglücks doch Wunderschönes. Anfang 2010 starb die amerikanisch-mexikanische Sängerin Lhasa de Sela im Alter von nur 37 Jahren an Brustkrebs. Die neun hauchdünnen Songs auf Esmerines drittem Album La Lechuza entstanden allesamt als Reaktion auf diesen Verlust am Neujahrstag 2010. Es sind kleine Soundtracks der Trauer und Liebeserklärungen an eine enge Freundin und respektierte Singer/Songwriterin der Montréaler Szene, die es verstand, sich leichtfüßig zwischen Jazz, Weltmusik, Alternative Rock und Chanson zu bewegen. Bruce Cawdron (Godspeed You! Black Emperor) und Andrew Barr (The Slip) nehmen diese Spielfreude auf und treiben ihre Percussion und Marimba zwischen die Stile. Zuweilen erinnern sie in ihrer folkloristischen Leichtfüßigkeit an Philip Glass’ Soundtrack zu Godfrey Reggios Bildersturm Powaaqatsi – voller Sensibilität und ungebändigter Lebensfreude zugleich. Rebecca Foons (Thee Silver Mt. Zion) Cellospiel und die Harfenklänge von Sarah Pagé (The Barr Brothers) stricken darum eine erdende, cineastische Melancholie. Unterstützt werden sie von Arcade Fire’s Sarah Neufeld, Colin Stetson sowie Patrick Watson, der ein langjähriger Wegbegleiter de Selas war und dessen Stimme jederzeit zu zerreißen droht. Am Ende dieser sanften Erinnerungen kehrt Lhasa de Sela noch einmal ganz gegenwärtig zurück. In der bislang unveröffentlichten Version des Stückes Fish On Land beschließt sie als Gastsängerin das Album und bleibt uns – ganz im Glauben des nordamerikanischen Indianerstammes Kwakiutl – als La Lechuza, als Eule, erhalten. Die Kwakiutl sahen in den Eulen die Seelen von Menschen. Und so lange die Eule lebte, lebte auch der dazugehörige Mensch.

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