Review

Textor

Schwarz Gold Blau

Trikont • 2012

Als Rucksackberliner, ursprünglicher Baden-Württemberger und Kinderzimmer Productions-MC trägt Textor dunkelbunte Farben in sich, die vermutlich nicht anders können, als die deutsche Alltagskultur zu illustrieren. Sein Konzeptalbum »Schwarz Gold Blau« erzählt, nein, besingt demnach auch das Leben eines fiktiven Jugendlichen in der dörflichen Einöde zwischen »Landpartie«, Luxusproblemen und Lethargie. Exemplarisch steht dafür der Track »Neu-Ulm« – eine musikalische Autobahnfahrt, die via sprech-gesungener Aufzählung diverser Kleinstädte dem Hörer jene typisch-vorstädtische Trostlosigkeit per Abfahrtschild vor Augen führen. Eine Trostlosigkeit, die v.a. das Großstadtleben verklärt und romantisiert, wenn die Dorfjugend in der örtlichen Disko dem »wilden Westen« entgegen schmachtet. »Hier ist eine Party und da eine da drüben/ Erst die Party und dann das Vergnügen«, kokettiert es auf »Kreuzberger Nächte«. Die eskapistischen Arrangements des Akkordsport-Sextetts haben zuweilen einen elitären Charakter, da Bezüge auf klassische Chansonniers scheinbar nicht komplett ohne Akademiker-Attitüde auskommen. Doch hat Textor eine LP komponiert, die sich wie ein wohliges Hörspiel aus der Weimarer Republik anfühlt, allerdings mit einer trockenen Helmut Kohl-BRD-Sozialisation. Der Kontrabass vibriert, die Violinen streichen wehmütig zur rudimentären Groovebox, um sich in einer melancholischen Neo-Chanson-Collage zusammenzusetzen. Mit Hip Hop hat das nichts mehr zu tun. »Schwarz Gold Blau« platziert sich zwischen den Stühlen des Café Kranzler und der Hamburger Schule und es scheint so, als sei das Textors neue Comfort-Zone.