Review

Bryn Harrison

Vessels

Another Timbre • 2014

Das Arbeiten mit rigiden Beschränkungen kann immer wieder zu unerwartet schönen Ergebnissen führen. Für sein Klavierstück »Vessels« verwendete der britische Komponist Bryn Harrison eine aus neun Tönen bestehende »Tonleiter« seines französischen Kollegen Olivier Messiaen, die er gleichzeitig vorwärts und rückwärts laufen ließ. Aus diesem Material entsteht ein akustisches Mobile, das einem das Gefühl von kontinuierlicher Bewegung und Offenheit gibt, obwohl die Musik ihren streng umgrenzten Rahmen niemals verlässt. Der Effekt ist hypnotisch: Wie beim Betrachten herabfallender Schneeflocken meint man, nie an ein Ende zu gelangen, Abschluss und Anfang schieben sich beständig ineinander. Die reduzierte Vorgehensweise und das Arbeiten mit sehr wenigen Tönen – man meint, nie mehr als zwei Klänge gleichzeitig zu hören – erinnert an die späten, ausladenden Klavierwerke Morton Feldmans, denen »Vessels« vom Umfang her in nichts nachsteht. Fast achtzig Minuten lang tastet sich das anfangs auf 20 Minuten angelegte Stück langsam durch einen Raum, dessen unsichtbare Wände nach und nach zu verschwimmen scheinen, ohne je ermüdend zu wirken. Es ist eine theoretisch unendliche Musik, zerbrechlich und doch unerschütterlich.

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