Review

Leftfield

Alternative Light Source

Infectious • 2015

Nach dem zweiten Summer of Love kam der kollektive Kater. Und der war schlimmer als der nach dem ersten. Er kroch sich langsam durch die allgemeine Hysterie voran, blähte sich auf und zerplatzte dann mit einem lauten Kreischen. 1995: Acid House ist nach acht Jahren der Saft ausgegangen und im UK flutet Jungle die Airwaves. Das Piratenradio ist die Keimzelle des Hardcore Continuums, die anderen Sender werden vom trashigen Eurodance-Abschaum erobert. Plötzlich sind da Leftfield und bringen von allem etwas mit: Den Rave-Spirit, die Attitüde, den Appeal. Progressive House nannten das einige, die anderen nur: Leftfield. Der Name steht seit dem Debüt »Leftism« synonym für wagemutige Musik, die ihre Traditionen – im Falle des Originals: House und Dub – ebenso wenig leugnet wie ihren Willen zum Fortschritt. Das aber ist 20 Jahre her. Auf »Leftism« ließen Neil Barnes und Paul Daley vier Jahre später »Rhythm And Stealth« folgen, danach wurden die üblichen Verwertungsmechanismen in Gang gesetzt: Remix-Album, Best Of, Fernsehwerbung, Reunion-Gigs im Jahr 2010 – die allerdings ohne Daley. Mit »Alternative Light Source« versucht Barnes nun die alte Formel auf neue Zeiten anzuwenden. Lediglich die Zutaten haben sich etwas verändert: Satter Dub und abgeklärtes Toasting ist auf den zehn Tracks kaum zu hören. Stattdessen gibt sich ein kleines Who-Is-Who der Indie-Szene das Mikro in die Hand: Channy Leaneagh von Polica, Tunde Adebimpe von TV On The Radio und Mark E., äh… Na, wie der Typ von den Sleaford Mods auch immer heißt. Dementsprechend abwechslungsreich klingt »Alternative Light Source«, jedoch ist der tranceige, auf Hochglanz produzierte Sound mittlerweile alles andere als progressiv zu nennen. Und wer das doch wagt, muss schon soweit kommen, dieses Label auch der neuen Paul Kalkbrenner-Platte draufzuklatschen. Eine bittere Ironie der Musikgeschichte: Das neue Leftfield-Album würde 2015 in wohl keinem Plattenladen in die »Leftfield«-Abteilung gestellt werden. Nicht, dass irgendjemand von Barnes eine neue Revolution erwarten würde. Wenn er aber diesen zum Versprechen mutierten Namen weiterträgt, sollte er jenes auch halten können.