Review

David Toop

Lost Shadows: In Defence of the Soul

Sub Rosa • 2015

Seltsame Gesänge hat David Toop hier gesammelt. Man hört entrücktes Gemurmel, Zisch- und Spucklaute, impulsartige Rufe und immer wieder markerschütternde Schreie, die klingen, als habe man dem Betreffenden eine gefährliche Verletzung oder Schlimmeres zugefügt. Dazwischen Geräusche, die wie Schläge auf nackte Haut klingen. Im Jahr 1978 unternahm der Musiker und Musikjournalist Toop, der zudem starkes Interesse an Anthropologie hatte, eine Reise zu den Yanomami im Amazonasgebiet in Venezuela, im Gepäck ein Aufnahmegerät, dazu reichlich TDK-Kassetten und Batterien. Mit dieser Ausstattung hat er die schamanistischen Rituale dieser vom Aussterben bedrohten indigenen Ethnie festgehalten; Heilzeremonien, Regengesänge, Chants und Kinderlieder. Man mag sich hier und da fragen, ob das denn wirklich Musik sei – auch nach John Cage dürfen solche Fragen ja noch gestellt werden. Es ist aber vielleicht gerade diese Fremdartigkeit der Klänge auf »Lost Shadows«, die einen regelmäßig daran erinnert, dass es im Grunde keine Rolle spielt, wie man die Darbietungen der Yanomami klassifiziert. Sie sind auch so schon faszinierend genug. Und Toop hat gut daran getan, diese Dokumente jetzt zum ersten Mal in so großem Umfang zu veröffentlichen – zusammen mit einem langen Erinnerungsbericht, der die Reise rekapituliert und die ethnologischen Debatten erwähnt, die um die Yanomami zuvor geführt worden waren. Verstehen muss man ihre Kultur nicht. Man braucht bloß zu hören.