Review

Vince Staples

Summertime ’06

Def Jam • 2015

Spätestens seit der letztjährigen EP »Hell Can Wait« muss man Vince Staples auf dem Schirm haben. Wie der damals 21-jährige hier über reduziert boomende Lowrider-Hymnen seinem Frust über die willkürliche Polizeigewalt oder triste Hoffnungslosigkeit in seiner Heimatstadt Long Beach, Kalifornien Luft machte, hatte man in dieser Vehemenz und Dichte lange nicht gehört. Vince Staples legte die Messlatte für sein Debütalbum auf Def Jam somit weit nach oben und es sei vorweggenommen, er knüpft nahtlos an seinen bisherigen Output an. Auf »Summertime ’06« geht Vince Staples zurück in die Mitte des Jahres 2006. Zurück zum letzten unbekümmerten Sommer, der sein Leben an der Schwelle vom Kind zum Mann für immer verändern sollte. Die Macht der Angst liegt als Leitmotiv über dem Doppelalbum und so zeichnet Staples in seinen eindringlichen hood reports den vorgezeichneten Weg der Kids auf den Straßen von Long Beach nach. Wo andere plump glorifizieren, stößt er schonungslos auf. Kühl und stoisch, beinahe zynisch muten seine atmosphärisch dichten Berichte aus Killa-Cali an. Labelchef No I.D. verantwortet dabei das Gros der Produktionen, die im Vergleich zu »Hell Can Wait« noch düsterer und minimalistischer ausfallen. Die Stand-Outs überlasst der Executive Producer hingegen Gastproduzenten wie Clams Casino (»Norf Norf«’), Christian Rich (»Señorita«) oder DJ Dahi (»Lift Me Up«), die sich perfekt ins kohärente Soundkonstrukt einfügen. Radiosingles? Nicht mit Vince Staples! Der bespielt die Unterlagen mit seiner markant, latent nölig klingenden Stimme je nach Song variabel, aber stets auf den Punkt und beweist, dass er zu begnadetsten Jungrappern aus den Staaten gehört. Nun ist »Summertime ’06« beileibe nicht so ambitioniert überladen wie »To Pimp A Butterfly« von Kendrick Lamar, trifft nach jedem Hördurchlauf aber mindestens genauso effektiv in die Magengrube des Rezipienten. In puncto gegenwärtiger Rapmusik aus den USA ganz weit oben und das bessere »Compton« obendrein.