Review

Simon Weiss

Tele-Vision

Voyage Direct • 2016

Simon Weiss‘ Electro-infizierter House-Entwurf klingt, als wolle er damit einer undefinierten Zukunftsvision klare Konturen geben. »Tele-Vision«, übersetzt »Fern-Blick«, setzt ein ultraglattes Sounddesign auf klar definierte Beats. Die Musik des Niederländers, mit richtigem Namen Isaie Reuling, ist nahezu verstörend in ihrer perfektionistischen Auskleidung. Über recht konventionellen House-Rhythmen plinkert und blitzt es, als wollte Reuling die verschwitzte Dreckigkeit des Dancefloors einfach hinweg putzen. Das ist nicht nur in ästhetischer Hinsicht oftmals zu viel des Guten, gerade im Titeltrack ergibt das Zusammenspiel der grellen Melodiemosaiken dermaßen viel Input, dass es schlicht überfordert. Der Remix des Stücks durch Klakson-Gründer Dexter – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Beatmaker – bemüht sich wohl deshalb hörbar, die rhythmischen Qualitäten des Stücks in der Vordergrund zu stellen und verbannt die enervierende Leitfigur des Stücks in den Hintergrund. Auch die beiden Stücke auf der Flipside, insbesondere das von einer nervös pluckernden Sequenz geprägte »Ghost«, wollen die Aufnahmefähigkeiten ihres Publikums auf die Probe stellen. Ein bisschen muss es sich so angefühlt haben, als Willy Brandt vor mehr als viereinhalb Jahrzehnten per Knopfdruck das Farbfernsehen in deutsche Wohnzimmer brachte: Dezent überwältigend, spektakulär und rückblickend unfreiwillig komisch. So visionär, wie sich »Tele-Vision« nämlich gibt, ist es im Kern nicht. Sondern in einer Idee von Futurismus befangen, die schon längst überholt ist. Wer einen Blick in die Zukunft erhaschen will, schaltet heutzutage schließlich nicht den Fernseher ein.