Review

African Head Charge

Drastic Season

On-U Sound • 2015

Was macht eine Dub-Platte aus dem Jahr 1983 auch für heutige Hörer noch interessant? On-U Sound liefert dafür mit der Wiederveröffentlichung einiger Alben von African Head Charge gerade gleich mehrere gute Beispiele dieser britischen Formation, die sich durch besondere Experimentier- und Spielfreude auszeichnet. Die Band um den Perkussionisten Bonjo Noah verband jamaikanische Nyabinghi-Rhythmen mit Instrumental-Sounds aus aller Herren Länder, schweren Dubs und einer rauen Punk-Ästhetik. Zusammen mit den psychedelischen Produzenten-Skills von On-U Sound-Labelboss Adrian Sherwood fiel ihre Musik damit nicht nur in den 1980er Jahren aus so ziemlich jedem musikalischen Rahmen. Hypnotisierende Tribal-Beats, holperig stolpernde und klopfende Perkussion und verzerrte Bässe bilden das meist schwer groovende Fundament für allerlei absonderliche und hochspannende Klangbauwerke aus verloren klimpernden Keyboards, kreischenden Vögeln, gehetztem Atmen, geschabten Rhythmen, Industrialsounds, synthetischem Brummen und warnenden Zugsirenen in voluminösen Echokammern und Hall-Kathedralen. Manchmal verzichtete die Combo sogar komplett auf einen durchgehenden Beat und erfreute sich an ihrer ganz eigenen Form von freier und düsterer Psychedelia, die merkwürdigerweise bis heute keine nennenswerten Nachahmer gefunden hat. »Drastic Season« kommt im Gegensatz zu anderen Alben von African Head Charge ohne Gesang- und Stimmsamples (siehe »Off The Beaten Track«) aus und rückt damit noch ein gutes Stück weiter in Richtung abstraktem und wenig entspannendem Noise-Dub von hohem Wiedererkennungswert und großartigem Unterhaltungsfaktor.