Review

Moskus

Ulv Ulv

Hubro • 2016

Es ist eine große Ironie der Musikgeschichte, dass allein die Zuschreibung »E-Musik« (das E steht für »ernst« und nicht für Ecstasy) in bestimmten Bereichen jeglichen Humor verunmöglicht hat. Rebellen gab es immer wieder, sie heißen Chilly Gonzalez oder Helge Schneider und haben aus dem kleinen Affront ein nachhaltiges Business gemacht: Entertainment für die bildungsbürgerliche Gesellschaft und alles, was sonst noch drüber lachen kann. Darüber hinaus aber finden sich immer mehr Menschen, die lieber Brücken schlagen, als sich weiter in die eigene Nische hereinzugraben. Everybody’s Schwiegersohn Nils Frahm versucht sich zum Beispiel als Interims-Stand-Up-Comedian (obwohl er das besser lassen sollte) und selbst ein recht ernst wirkender Typ wie Hauschka schafft allein schon durch die Präparation seines Klaviers mit Süßigkeiten aller Art eine humorige Grundstimmung. Das norwegische Jazztrio Moskus hat seinem dritten Album mit »Ulv Ulv« (zu Deutsch: »Wolf Wolf«) einen phonetisch witzigen Titel verpasst und mit einem herrlich beknacktes Cover direkt aus dem für Schnappschüsse von unergiebigen Familienurlauben reservierten Teil der Hölle die Sache abgerundet. Das macht diese Platte auf Anhieb charismatisch und die Musik sogleich verdaulicher. Denn nicht nur sind Anja Lauvdal (Piano, Harmonium, Synthesizer), Fredrik Luhr Dietrichson (Kontrabass) und Hans Hulbækmo (Schlagzeug, Maultrommel, Harfe, Percussion, Säge und Blasinstrumente) bei der Wahl ihrer Instrumente recht einfallsreich, ihr Sound ist ebenso eklektisch. »Ulv Ulv« wandert vor sich hin und die Musik scheint dem zu folgen. Mal schneller, vor allem aber mal langsamer geht es durch ebenso dumpfe wie reduzierte Drone-Landschaften (»Medstrøms«) sogleich in das Untergeschoss eines Speak-Easys, wo nach dem dritten Gin aus Henkeltassen ein wackliger Ragtime versucht wird (»Noe med utopia, Klondike«). Der Morgen danach beginnt mit Yogi-Tee und Yoga-Posen in gedämpften New Age-Ambiente (»Chimes / gullregn«) und endet am Abend doch nur wieder alleine mit einem Long Island Iced Tea in einer dezent verdunkelten Hotellobby (»We Will Always Love You, Too, Whitney Houston«). Am Ende eines langes Wochenendes gibt dann sogar noch das Transistorradio den Geist auf (»Ei signekjerring«), was aber zu vernachlässigen bleibt – es gibt schließlich immer noch die kleine Notration Humor in der hintersten Ecke der Handtasche, die diesen schrägen Trip über Tag und Nacht rettet und »Ulv Ulv« zu einem angenehm sympathischen Gesamterlebnis macht.

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