Review

Kema

Alle Sorgenti delle Civilità

Finders Keepers • 2016

Giulia Alessandroni arbeitete mit Ennio Morricone und anderen Gestalten der italienischen Avantgarde-, Soundtrack- und Library Music der 1960er und 1970er Jahre zusammen, veröffentlichte unter ihrem Pseudonym Kema allerdings nur zwei Releases, beide gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Alessandro Alessandroni. »Alle Sorgenti delle Civilità« vereint Stücke, die auf eben jenen beiden LPs unter dem Titel »Aux Sources de la Civilisation« einer Art Pseudoanthropologie nachgingen: Um Azteken, Mayas und Inkas ging es auf der einen, um Indien, Iran und Pakistan auf der zweiten Veröffentlichung. Zwei verschiedene thematische Schwerpunkte zu zwei verschiedenen Teilen der Welt, die jeweils untereinander ausreichend verschieden sind, werden also durch die westliche Brille musikalisch neu interpretiert. »Alle Sorgenti delle Civilità« verspricht dem Titel nach über diese konstruierte Ethnografie dem Wesen der Zivilisationen auf den Grund zu gehen. Das Grundrezept dieses verträumten Weltmusikgedankens ist bekannt: Bestimmte Instrumente – im Falle von indigen Völker natürlich Flöten, weiter Richtung Osten werden Sitars bedient – setzen qua Erkennungswert eine möglichst exotische Atmosphäre, die von (für das westliche Ohr zumindest) unkonventionell klingen Rhythmen gestützt wird. Rund viereinhalb Jahrzehnte nach Erstveröffentlichung klingt die Musik auf »Alle Sorgenti delle Civilità« putzig und verunfallt. Der unschuldige Exotismus Kemas erinnert bisweilen an die bilderstürmerische Mentalität der Art Brut-Tradition, manchmal an die flötige Berieslungsmusik in profillosen Asia-Restaurants. In seinen besten Momenten aber gelingt »Alle Sorgenti delle Civilità« eben genau das, was Alessandronis Absicht gewesen sein wird: Die Musik wird zu einem fröhlichen Selbstläufer, der sich unter Schellenkranzgebimmel und den hüpfenden Melodien von Saiteninstrumenten in seine transzendentale Trance tanzt. Spaß ist schließlich ein internationales Empfinden.

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