Review

Sven Grünberg

Hingus

Bureau B • 2016

Kirchenorgel und Synthesizer im Dialog: So kann man Ambient auch gestalten. Der estnische Komponist Sven Grünberg hat das auf seinem Album »Hingus« (dt. Atem) von 1981 sehr schön vorgemacht. Wobei man den Ambient-Begriff hier etwas weiter fassen sollte. Dass der studierte Musiker zuvor in einer Progrock-Band namens Mess spielte, kann man seiner Musik durchaus noch anmerken. Die Synthesizer und Orgeln türmen sich gern mal zu höheren Gipfeln sakralen Strahlens auf, werden mit Perkussion wie Tamtam, Gong oder Röhrenglocken ergänzt und erweisen sich damit um einiges dynamischer als beim Kollegen Brian Eno zur gleichen Zeit (jedenfalls in Ambient-Angelegenheiten). Klaus Schulze wird gern als Vergleich bemüht, doch mit den Referenzen muss man ja vorsichtig sein, um nicht falsche Fährten zu legen. Wo wir aber schon dabei sind: Die Orgelpassagen lassen hier und da durchaus an ruhigere Sakralwerke des Franzosen Olivier Messiaen denken, Grünberg setzt das Pfeifeninstrument gern ähnlich massig-körperlich ein. Von wegen entrückte Sphären: Hier geht es schon mal zur Sache, und das auf recht originelle Weise. Man könnte Grünbergs Ansatz als erfrischend altmodisch bezeichnen, ohne dass man bei ihm bloß Bekanntes hört. Eine Entdeckung ist »Hingus« allemal.