Review

Shirley Collins

Lodestar

Domino • 2016

38 Jahre sind eine lange Zeit. Das entspricht in etwa der Lebenserwartung von Frauen im 19. Jahrhundert oder auch einer ausgedehnten Karriere im Musikgeschäft. Shirley Collins hingegen hat sich diese halbe Ewigkeit Zeit gelassen, um nun endlich ihr erstes Album seit 1978 zu veröffentlichen. »Lodestar« ist eine zehnteilige Sammlung von englischen, amerikanischen und Cajun-Folk-Songs, die von den 1950er Jahren bis ins 16. Jahrhundert zurückdatieren und für Shirley Collins von besonderer Bedeutung sind. Gleich das Eröffnungsstück führt vier verschiedene Weisen zusammen und verbindet karge Gitarrenzupfer und keltisch anmutende Gesangsmelodien mit einem Drone aus Dudelsackpfeifen, um letztlich mit Akkordeon und Schellen wieder versöhnlich zu enden. So abwechslungsreich wie traditionsbewusst geht es auch weiter: auf »Sur le Borde de l’Eau« singt die kultisch verehrte Collins stilecht auf Französisch und das knappe »The Silver Swan« sorgt mit Pumporgel und Fiedel für den passenden Abschluss. Nicht nur von Graham Coxon und Angel Olsen wird Shirley Collins für das Folk-Revival mitverantwortlich gemacht und dementsprechend hoch geschätzt. Mit der wundersamen Veröffentlichung von »Lodestar« beweist sie nach so vielen Jahren nun, dass sie auch mit über 80 für eine faustdicke Überraschung gut ist.