Review

Bonobo

Migration

Ninja Tune • 2017

Platten von Bonobo klingen nie gleich. Zwar hat es Simon Green geschafft, in seiner bislang über 17 Jahre währenden Musikerkarriere einen absolut wiedererkennbaren Bonobo-Trademark-Sound zu erarbeiten. Da sind diese Downtempo-verhafteten Beats, da ist diese warme Atmosphäre, da sind diese getragenen Streicherarrangements. Doch gleichzeitig schielt Bonobo immer auf Weiterentwicklung, fügt seinen Arrangements stets neue Komponenten hinzu, verschiebt mit jeder Veröffentlichung den Fokus. »Migration«, sein inzwischen sechstes Studioalbum, erhebt diese Rastlosigkeit zum Prinzip. Hatte er sich mit dem Soul-Pop-Electronica-Album »Black Sands« 2010 endgültig vom Geheimtipp aus der Lounge- und Chillout-Ecke zum Everybody’s Darling der großen, weiten Musikwelt entwickelt, geriet der Nachfolger »The North Borders« 2013 streckenweise elektronischer und vereinzelt, wie beim großartigen »Cirrus« sogar Club-tauglich. Die 2014er »Flashlight«-EP ging noch einen ganzen Schritt weiter, vermischte Burial-esque, verhuschte Post-Dubstep-Beats mit diesem typischen Bonobo-haften Flirren und Brummen, uplifting und melancholisch zugleich. Auf »Migration« wiederum öffnet sich das Spektrum zwischen getragener Melancholie und bassgetriebenen House-Versatzstücken noch weiter. Das Album enthält Sampling-Fetzen aus der ganzen Welt, vom Aufzug in Hongkong bis zum Wäschetrockner in Atlanta. Es erzählt von Greens Leben auf Tour, von der Suche nach Heimat und der Frage nach Identität. Dabei bricht er häufig aus gewohnten Song-Strukturen und der Stringenz von Stimmungsverläufen aus. Ziellos nimmt er sich mal der einen, mal der anderen Idee an, lässt einen potenziellen Dancefloor-Killer wie »Outlier« im Sande verlaufen, bewegt sich bei »Grains« durch ein sanftes, wellenartiges Auf und Ab, hämmert bei »Bambro Koyo Ganda« auf hemdsärmlige Weise Vocalsamples der marokkanischen Band Innov Gnawa mit einer knackigen Bassline und Streichern zusammen. Wie auf den letzten beiden Alben darf aber auch auf »Migration« der Pop-Appeal nicht fehlen, sei es in klassischer Bonobo-Manier wie bei »Kerala«, sei es im eher drögen Synthesizer-Stück »No Reason«. Als Antipode zu »The North Borders«, das stellenweise versuchte, alles auf einmal zu sein, funktioniert »Migration« in seiner Sprunghaftigkeit ziemlich gut. Es ist aber auch dessen logische Fortsetzung, weiteres Kapitel in der ewigen Neufindung von Bonobo und gleichzeitig Moment der Selbstreflektion.