Wild Style – Wie doch die Zeit vergeht

05.12.2007
Foto:Charles Ahearn Rhino Entertainment
Eine fixe Filmidee und seine Folgen: Ein Interview mit Busy Bee über die gute alte Zeit des Hip-Hop

Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Regisseur Charlie Ahearn einen kleinen, unscheinbaren Film schuf, der nichts weiter als die Realität und den Alltag der debütierenden Schauspieler widerspiegelte. Dennoch wurde dieser Film ein Klassiker und bot der Hip-Hop-Kultur eine Plattform zur Selbstdarstellung und somit für kommerzielle Akzeptanz. Im Februar war Regisseur Ahearn zusammen mit Chiefrocker Busy Bee unterwegs in Deutschland, um die Geburstags-DVD-Edition ihres Films zu promoten. Eine gute Gelegenheit für ein Interview…

Es ist jetzt 25 Jahre her, dass Wild Style gedreht wurde. Was war damals die Motivation, diesen Film zu produzieren?
Busy Bee: Um ehrlich zu sein, wir wollten in erster Linie eine gute Zeit haben und der Welt zeigen, dass es eine Hip-Hop-Kultur gibt. Sie sollten sehen, dass wir Freude an dem was wir machen haben: Rappen, Auflegen, Breaken oder Writen in der Tri-State Area, also in der Bronx, Queens und Brooklyn, das war unser Leben. Zwar wollten wir schon diesen Film so erfolgreich wie möglich produzieren, aber mit einer solchen Resonanz hätten wir niemals gerechnet. Nun sitze ich hier also in Köln…

…ein Vierteljahrhundert später und redest immer noch über Wild Style.
Busy Bee: Stimmt! Das ist einfach unglaublich!

»Auf der Straße hatten wir jedoch keine Elektrizität, so haben wir die Stromleitungen angezapft, um Partys feiern zu können.

Busy Bee
Stimmt es, dass damals einige Writer gar nicht so glücklich über die Verbindung waren, die Charlie Ahearn damals durch Wild Style zwischen ihnen und der ganzen Hip-Hop-Kultur geschaffen hatte?«
Busy Bee: Das kann schon sein, doch im Endeffekt hatten sie etwas mit uns gemeinsam: Sie wurden anfangs dafür verachtet, was sie machten – genau wie wir aufgrund unserer Musik. Damals gab es keine Clubs, in denen wir hätten unsere Musik spielen können, also gingen wir auf die Straße. Auf der Straße hatten wir jedoch keine Elektrizität, so haben wir die Stromleitungen angezapft, um Partys feiern zu können. Genau dafür wurden wir zunächst verfemt. Mit der Zeit wurden wir schlauer und verlegten unsere Partys in Häuser – mit eigener Elekrizität. Niemand konnte uns dann aufhalten, denn wir zahlten für den Strom, es war unser Strom und damit auch unsere Bewegung. Die Writer waren also Outlaws, genau wie wir. Aber mit den Jahren hat sich alles gelegt. Inzwischen sind wir down miteinander, weltweit.

Die South Bronx, die Mittelpunkt des Geschehens von Wild Style ist, galt ja damals als die größte Schande der Vereinigten Staaten. Denkst du, dass ihr u.a. mit diesem Film die Sichtweise der Menschen diesbezüglich verändert habt, indem ihr dieses Viertel aus eurer Sichtweise präsentiert habt?
Busy Bee: Leider nicht. Die Leute haben nicht hingeschaut. Die haben weggesehen und gesagt: »Macht den Mist aus. Wir wollen das nicht hören noch sehen!« Als Hip-Hop größer wurde und die ersten Veröffentlichungen kamen, haben die Menschen ein wenig mehr Respekt für unsere Kultur entwickelt, weil sie Gruppen wie die Sugar Hill Gang hörten, die stets dieses »Make Party, Enjoy Your Life«-Ding präsentierten. Dadurch wurde Hip-Hop gesellschaftsfähiger.

Erinnerst du dich noch an die Situation, als Charlie Ahearn dich fragte, ob du in Wild Style spielen möchtest?
Busy Bee: Er hat mich nicht wirklich kontaktiert, das ganze hat sich mit der Zeit entwickelt. Wir zogen damals unser Ding durch, hörten Musik, machten Musik, feierten Partys, rauchten Gras usw. – und plötzlich war Charlie dabei. Er war der einzige Weiße. Anfangs dachte ich, er wäre ein Bulle. Ich habe ich immer das Weite gesucht, sobald er aufkreuzte. Charlie war allerdings hartnäckig, er verfolgte mich. Und so kamen wir irgendwann doch ins Gespräch. Er erzählte mir von seiner Vorliebe Hip-Hop und seinen Plänen, einen Film über unsere Kultur zu drehen. Selbstverständlich war ich sehr angetan von der Idee, denn ich würde weiterhin Spaß haben, Partys feiern und Weed rauchen können und im Endeffekt noch dafür bezahlt werden. Auf diese Weise kam der Kontakt zwischen mir und Charlie zustande. Mit der Zeit habe ich ihm die ganzen MCs vorgestellt, Cold Crush und die ganzen Jungs. Ich habe ihn mit in die Bronx genommen und eben mit den Leuten bekannt gemacht, die später im Film zu sehen waren. Der Grund, warum ich »Wild Style« so sehr liebe, ist, dass es wirklich authentisch ist. Ich habe in dieser Gegend gewohnt und genau diesen Lifestyle verkörpert. Manche Szenen des Films wurden zwei Minuten Fußweg von meinem Haus gedreht. Wenn ich den Film heute sehe und daran denke, wie sehr sich die Bronx, die Bewegung verändert hat und erfolgreich wurde, ist das ein gutes Gefühl. Wir haben damals den Grundstein für Hip-Hop gelegt. Ich habe übrigens nichts gegen die heutigen MCs – es spielt keine Rolle, wie alt du bist oder woher du kommst: »If you are what you are, then that’s what you are!«

»Wir haben einfach gemacht, was wir immer machen. Ich habe Geld bekommen, also dachte ich mir †ºI got that motherfuckin’ money, so I am lay down on the bed and create a big B with it†¹.«

Busy Bee
Wie würdest du Charlie Ahearns Vorgehensweise als Regisseur beschreiben? Es gibt da beispielsweise diese Szene im Hotelzimmer, in der du auf dem Bett liegst und ein großes †ºB†¹ aus dem Geldbündel formst. Hat Charlie Ahearn dir diese Situation vorgeschrieben oder hat er die Kamera angeschaltet und die Dinge laufen lassen?
Busy Bee: Nein, er hat mir einfach ein wenig Geld in die Hände gedrückt und gesagt: »Mach was draus, habe Spaß«. So etwas stand in keinem Drehbuch. Wir haben einfach gemacht, was wir immer machen. Ich habe Geld bekommen, also dachte ich mir †ºI got that motherfuckin’ money, so I am lay down on the bed and create a big B with it†¹.

Gibt es eine für dich wichtige Geschichte vom Set, an die du dich gerne erinnerst?
Busy Bee: Ich glaube, dass wichtigste war für mich, dass ich einige Familienmitglieder und Freunde im Film unterbringen konnte. Meine Schwester ist zum Beispiel in einer Szene zu sehen. So können sie sich Jahre später noch diesen Film anschauen und sich daran erinnern, dass ich Ihnen diese Möglichkeit gegeben habe. Charlie hat damals die Zukunft erkannt, doch für mich war das ganze nur Spaß! ich habe nie damit gerechnet, dass dieser Film solch eine Nachhaltigkeit haben wird.

Als du zum ersten Mal die Endfassung des Film gesehen hast, hättest du dir vorstellen können, dass du im Jahre 2008 in Deutschland sitzen wirst, um über Wild Style, den Hip-Hop-Klassiker schlechthin – zu reden?
Busy Bee: Niemals. Als ich erfuhr, dass der Film auf dem Broadway laufen würde, wo all die richtigen Filme gezeigt wurden, bin ich durchgedreht – ich habe mich gefühlt wie ein Filmstar.

Wie war die Reaktion der Szene auf den Film?
Busy Bee: Die Reaktionen waren fantastisch. Viele Leuten haben mir Respekt gezollt. Ich habe danach sehr viel in Schulen mit Kindern gearbeitet, Workshops gehalten etc. Die meisten haben sich für mich gefreut… bis auf »this motherfuckin Kool Moe Dee«…

Busy Bee: Das hat sie definitiv. Unsere Kultur gab es schon lange, aber nach Wild Style kam Hip-Hop mehr in der Gesellschaft an. Plötzlich sah man Writer und B-Boys beispielweise in der Sprite-Werbung. In allen Gesellschaftsteilen wurde Hip-Hop mehr oder weniger präsent. Und zum Glück ist das heute noch immer so.

»Rap ist etwas, das du tust. Aber Hip-Hop ist etwas, das du lebst.«

Busy Bee
Denkst du, dass Wild Style eine kommerzielle Akzeptanz für Hip-Hop geschaffen hat? Haben sich diese Veränderungen auch auf die Künstler an sich ausgewirkt?
Busy Bee: Natürlich, denn die Künstler, die nach Wild Style auf der Bildfläche erschienen sind, haben durchweg diesen Film gesehen und sie respektieren ihn und damit auch die Wurzeln der HipHop-Kultur. Wild Style ist zeitlos: Es sehen ihn 20-jährige, es sehen ihn 30-jährige, 40-jährige. Sie alle fühlen die Liebe in diesem Film und verstehen die Kultur, die dahinter steckt.

Das Gefühl auszudrücken, den Hip-Hop zu leben, hast du früher in einem Satz gebündelt: »Peace, Love, Unity and having Fun«. Denkst du, dass man die Kultur auch heute noch nach diesen Werten lebt?
Busy Bee: Diese Werte müssen gelebt werden, denn darum geht es doch im Hip-Hop. Rap ist etwas, das du tust. Aber Hip-Hop ist etwas, das du lebst. Wenn du also Teil der Hip-Hop-Kultur sein willst, dann sollte es genau darum gehen: Peace, Love, Unity and having Fun! Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber Hip-Hop hat mit diesen Werten den Planeten übernommen. Es gibt keinen Ort der Welt, an dem unsere Kultur nicht präsent ist. Wir befinden uns sicherlich noch immer in einem Krieg. Doch das Battle hat Hip-Hop gewonnen!