BBE Records – The Arsenal Jazzmafia Mobster

31.10.2008
Foto:Tilman Junge
Nicht allein die Tatsache, dass uns BBE Records im Herbst diesen Jahres das erste richtige Produzentenalbum von Madlib bescherte, macht es lohnenswert sich das Label von Peter Adarkwah genauer anzuschauen und vor allem hinzuhören. Ein Gespräch mit dem King of BBE.

Wenn Peter Adarkwah nächstes Jahr 40 Jahre alt wird, kann er auf eine 13-jährige Labeltätigkeit mit BBE Records und eine noch längere Laufbahn als Veranstalter zurück blicken. Nachdem BBE zunächst stärker im Compilation-Bereich arbeitete, begann v.a. mit der inzwischen neun Alben umfassenden Beat Generation-Serie die Entstehung eines originären Katalogs. Die Beat Generation sollte Hip-Hop-Produzenten die Gelegenheit geben, ihr Können in einem umfassenderen Sinne zu beweisen. Nacheinander verewigten sich hier bis 2004 Jay Dee, Pete Rock, will.i.am, Marley Marl, DJ Spinna, Jazzy Jeff, King Britt und Larry Gold. Kürzlich steuerte nun auch Madlib mit WLIB AM: King oft he Wigflip ein Album bei. Ein weiteres Standbein des Labels bildet die Lost-and-Found-Reihe, in der mit Roy Ayers: Virgin Ubiquity Unreleased Recordings 1976 – 1981 vor vier Jahren erstmals bis dato unveröffentlichte Aufnahmen eines Altmeisters zugänglich gemacht wurden. Seit wenigen Monaten lebt Peter Adarkwah in Berlin.

Was waren die Hauptgründe für Deinen Umzug?
Peter Adarkwah: Hauptsächlich bin ich wegen der Liebe und der Arbeit hergekommen. That†˜s as cheesy as it gets! Außerdem ist das Leben hier einfach ruhiger, es liegt weniger Spannung in der Luft.

Wie sieht die Situation in London denn zurzeit aus?
Peter Adarkwah: Ich weiß nicht, ob es nicht auch mit den Medien zu tun hat – dennoch habe ich den Eindruck, dass die Atmosphäre feindseliger geworden ist. Es sind eine Menge wütender Kids auf der Straße, die Leute anrempeln und gelegentlich ein Messer ziehen. Selbst vor meinem Haus sind schon Leute attackiert worden, als sie mich besuchen wollten. Wenn man älter wird, fühlt man sich weniger sicher.

»Hauptsächlich bin ich wegen der Liebe und der Arbeit hergekommen. That†˜s as cheesy as it gets! Außerdem ist das Leben hier einfach ruhiger, es liegt weniger Spannung in der Luft.«

Peter Adarkwah
Ist es Dir trotzdem schwer gefallen, wegzugehen?
Peter Adarkwah: London ist ja nur eine Stunde und 20 Minuten entfernt. Ich habe schon seit rund drei Jahren darüber nachgedacht. Zuerst dachte ich allerdings an etwas Wärmeres. Berlin ist immerhin langsamer. Außerdem kann ich hier Gilles Peterson im Radio hören, das ganze BBC-Programm.

Vor vier Jahren erzähltest Du, dass Du regelmäßig mit Gilles Peterson zu Arsenal London gehst. Ist das so geblieben?
Peter Adarkwah: Ja, wir waren gerade vor eine paar Wochen wieder im Stadion. Ich habe ein Season-Ticket – dafür bekommt man neunzehn Heimspiele, die Champions League und den FA Cup. Das vermisse ich in Berlin schon, aber es gibt ja Premiere und außerdem habe ich hier gerade einen anderen Arsenal-Fan kennen gelernt, mit dem ich in einen Pub gehen kann. Zum Glück gibt es eine Menge Irish Pubs auf der ganzen Welt.

Sind außer Euch noch andere Leute aus der Musikszene mit im Stadion?
Peter Adarkwah: Ja – ich nenne sie die Arsenal Jazz-Mafia. Gilles geht mit, Dominic Savini, Rod Spin Doctor. Rob von Galliano ist dabei, also Earl Zinger. Außerdem ein guter Freund von mir, der bei Universal arbeitet und noch einige andere.

Thema Label – welche Bedeutung hat das Online-Geschäft inzwischen?
Peter Adarkwah: Es nimmt definitiv zu, gleicht die Einbußen bei den Tonträgern aber nach wie vor nicht aus. Es ist aber generell schwierig. Beispielsweise gibt es Plattformen wie Emusic, die auf Abo-Basis laufen. Da bekommt man als Label für einen Song so wenig Geld – so what†˜s the point?

Wie stehst Du der Tatsache gegenüber, dass es bei iTunes und Nokia Comes With Music eigentlich darum geht, Geräte zu verkaufen?
Peter Adarkwah: Musik war schon immer ein Produkt, das man als Zutat brauchte. Ich habe kein Problem damit, wenn Leute mit unserer Musik Geld machen. Ärgerlich sind nach wie vor das illegale Downloading, der Peer-To-Peer-Bereich und Leute, die Blogs aufsetzen und unsere Musik kostenlos verteilen. Wenn Nokia zu Dir kommt und einen schlechten Deal vorlegt, kann man wenigstens versuchen, zu verhandeln. Mit irgendeinem illegalen Online-Store in Russland geht das nicht. Die Leute müssen verstehen, dass es für uns bald keinen Weg mehr geben wird, weiter zu machen.

Was hältst Du von Last FM, einer Firma, die zunächst auf die Indies losging mit der Losung: »Gebt uns Eure Musik kostenlos, wir machen tolle Promo für Euch«,…
Peter Adarkwah: … um die Firma dann für unfassbar viel Geld zu verkaufen, wovon an die Labels nichts weitergegeben wurde? Dazu fällt mir nicht viel ein.

Welche Bedeutung hat Vinyl für BBE?
Peter Adarkwah: Von den Titeln der Beat Generation haben wir weltweit z.B. zwischen 3.000 und 7.000 Einheiten auf Vinyl verkauft. Das sind jeweils ungefähr 10 Prozent der CD-Verkäufe. Für mich als jemand, der aus der DJ-Kultur kommt, ist es trotzdem wichtig, auf Vinyl zu veröffentlichen. Inzwischen sehen wir Vinyl aber eher als Limited Edition-Sache, für die wir einen vernünftigen Preis verlangen müssen, und von der wir hoffen, dass es nicht nach Jahren irgendwelche Retouren von Platten gibt, die in einem Lager in einer Kiste steckten, die jemand falsch beschriftet hat.

Du hast 2004 gesagt, dass das Larry Gold-Album das letzte in der Beat Generation sein würde. Der Release des Madlib-Albums in diesem Herbst kam daher etwas überraschend…
Peter Adarkwah: Eigentlich ging die Sache mit Madlib schon wenig später los. Zurzeit ist aber definitiv nichts weiter in der Pipeline. Für mich ist diese Warterei sehr frustrierend. Man investiert Geld und dann sitzt man eine lange Zeit da und wartet, dass es losgeht, ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommt.

Mit welchem der Produzenten aus der Beat Generation hast Du heute noch am häufigsten zu tun?
Peter Adarkwah: Mit DJ Spinna und Jazzy Jeff. Spinna ist wie ein Bruder – wir haben uns wahrscheinlich 1997 zum ersten Mal getroffen und seither viel Zeit miteinander verbracht. Wenn Spinna in London ist, kommt er vorbei, ich koche und wir reden und tauschen Musik und Geschichten aus. Bin ich in Philadelphia, besuche ich Jeff – und koche. Das ist mein Ding. Wenn Jeff und ich telefonieren, artet das jedes Mal in ewige Gespräche aus. Oft geht es gar nicht so sehr um Musik – von Arztterminen bis zu Problemen mit Frauen kann alles dabei sein. Was mich an Jeff noch immer erstaunt ist, dass er so viel von allem gesehen hat und trotzdem nach wie vor ein cooler Typ ist.

»Als ich Dilla das erste Mal traf, gab er mir ein Mixtape aus seinem Auto. Neulich fragte mich jemand, ob ich es ihm kopiere, dann könne er es an Dillas Geburtstag streamen. Ich glaube, ich will das nicht machen. Alles wurde inzwischen gemolken. «

Peter Adarkwah
Wie hast Du den Hype nach J Dillas Tod empfunden? Plötzlich redete jeder von ihm, als habe er einen Bruder verloren.
Peter Adarkwah: Die Wahrnehmung wandelte sich von einer Situation, in der er den Leuten egal war, in ein entgegen gesetztes Extrem. Wenn ich mir überlege, wie hart es war, Welcome 2 Detroit zu verkaufen… Keiner kannte ihn. Irgendwann danach riefen mich die Stones Throw-Jungs an und wollten wissen, ob es in Ordnung wäre, wenn sie ein Album mit ihm machten. Ich hatte Dilla zwar nicht als Künstler unter Vertrag, aber Stones Throw wollte mir eben nicht auf die Füße treten. Als ich Dilla das erste Mal traf, gab er mir ein Mixtape aus seinem Auto. Neulich fragte mich jemand, ob ich es ihm kopiere, dann könne er es an Dillas Geburtstag streamen. Ich glaube, ich will das nicht machen. Alles wurde inzwischen gemolken.

Hat sich sein Tod auch auf Eure Verkäufe ausgewirkt?
Peter Adarkwah: Ja, die menschliche Natur ist seltsam. Als wir Pause auskoppelten, hatten wir anschließend noch 1.500 Kopien auf Lager. Als Dilla starb, wollten die Leute die 12inch plötzlich kaufen. Vorher hat sich vier Jahre lang keiner dafür interessiert. Die unheimlichste Sache für mich ist jedoch, dass mein Vater dieselbe Krankheit hat, die Dilla tötete. Ich verstehe die Krankheit allerdings noch immer nicht völlig. Mein Vater kommt damit im Moment gut klar.

Warst Du damals auch bei ihm in Detroit?
Peter Adarkwah: Ja – wir sind in seinem Range Rover durch die Stadt gefahren und haben Musik gehört. Als wir bei ihm zu Hause ankamen, stellte ich fest, dass er ein paar BBE-Platten an der Wand hatte. U.a. auch die zweite Platte, die ich je rausgebracht hatte. Er wusste bis dahin gar nicht, dass sie von meinem Label kam. Für mich war das eine Ehre. Ich war da, als er gerade mit Common arbeitete. Als Welcome 2 Detroit abgeschlossen wurde, begann er mit ihm an Like Water For Chocolate zu arbeiten – im selben Raum! Ich bin damals los und habe den Jungs ein paar Burger gekauft.

Gab es irgendwelche Schlüsselmomente für die Beat Generation?
Peter Adarkwah: Extrem wichtig war, dass Kenny Dope mich mit Dilla und mit Jazzy Jeff in Kontakt brachte. Diese zwei Verbindungen deuteten an, dass daraus eine Serie werden könnte. Kenny Dope hat also einen großen Beitrag dazu geleistet.

Marley Marl ist nach Larry Gold wohl der älteste Produzent in der Beat Generation. Wie bist Du mit ihm in Kontakt gekommen?
Peter Adarkwah: Auf Umwegen. Kenny Dope hatte eine Hip-Hop Forever-Mix-CD für mich gemacht. Ich hatte dafür eine Release-Party in einem Londoner Club vorbereitet, aber Kenny konnte nicht. Zu dieser Zeit war ich gerade in New York und bin zu diesen Jungs, die den Cold Chillin Katalog besaßen und »Ill Street Blues« von Kool G Rap für die Compilation lizenziert hatten. Ich saß da im Büro und wartete auf den Typen, der mir das DAT geben sollte. Da ich nichts zu tun hatte, redete ich mit der Sekretärin und fragte, ob sie einen Tipp für mich hätte, wie ich mit Marley Marl in Kontakt kommen könne. Sie meinte »He†˜s on the phone right now«. So sprach ich das erste Mal mit ihm, erzählte ihm von der Compilation und davon, dass wir noch jemanden bräuchten, der auf der Release-Party auflegt. Er sagte: »Yeah, sure. I†˜ll do it.«

Wann hast Du ihn dann das erste Mal gesehen?
Peter Adarkwah: Am selben Abend. Ich erzählte ihm, dass ich später noch ins Shelter gehen und dort Tim treffen würde, der früher für Swingbeat produziert hatte. Marley meinte, er habe Tim seit Jahren nicht mehr gesehen, also haben wir uns für 1 Uhr früh verabredet. Als ich zum Club komme, steht davor ein BMW 850i – derselbe, der auf der Rückseite des Covers einer In Control-Platte zu sehen ist. Darin saß Marley Marl. Dann haben wir bis 5 Uhr morgens im Club abgehangen und House Music gehört. Ein sehr surrealer Moment! Marley war total easy going und laid back. Ich hörte in den 1980er Jahren viel WBLS Exchange mit ihm und Tim Westwood. Marley Marl war für mich legendär. Für mich waren die Produktionen von ihm der Beginn des Hip-Hops, den ich mochte.

Als er das Album für BBE produzierte, hatte er schon länger nichts mehr aufgenommen. War es schwer, ihn in ein Studio zu bekommen?
Peter Adarkwah: Nein – Marleys lebt ja im House Of Hits. Dort hat er auch Re-Entry aufgenommen, was natürlich ideal war, da es deshalb auch nicht so teuer wurde. Mein Bruder hat mich einmal zu ihm gefahren. Unter der Garage, in der sein BMW und ein Mercedes stehen, hat er sein Studio. Dort steht das Desk, auf dem Mama Said Knock You Out aufgenommen wurde. Alle Multitrack-Tapes von allen Sachen, die er je gemacht hat, stehen da. Lords Of The Underground – you name it. Pete Rock und er haben dort auch seine Show für Hot 97 aufgenommen. Er ist nie in den Sender gefahren, sie haben das immer rübergeschickt.

Wie geht es ihm heute?
Peter Adarkwah: Seit seinem Herzinfarkt achtet er mehr auf seine Ernährung. Er hat auf sein Geld aufgepasst und macht die Dinge, auf die er Lust hat. Er lebt nicht exzessiv, aber er genießt das Leben und kommt mit dem Alltag gut klar. Es ist sehr erfrischend, das zu sehen.

Du hast in der Reihe Lost And Found ja auch zwei Alben mit bis dahin unveröffentlichten Roy Ayers-Aufnahmen rausgebracht. Hast Du auch mal darüber nachgedacht, eine neue Platte mit ihm zu machen?
Peter Adarkwah: Das hat leider nicht geklappt. Ich wollte, dass er ein Album mit James Poyser macht, weil ich dachte, dass James in gegenwärtig bzw. nicht zu retro klingen lassen könnte. Also zeitgemäß, kein Smooth Jazz. Es hat dann leider finanziell nicht hingehauen, was eine Schande ist, denn das war eine der Sachen, die es auf jeden Fall hätte geben sollen. Ich konnte mir das Risiko nicht leisten.

Wie sieht die Situation bei Lost and Found allgemein aus?
Peter Adarkwah: Es gibt immer noch eine Menge Musik, die noch nicht digitalisiert wurde und es gibt eine Menge Sachen, die aufgenommen, aber nie veröffentlicht wurden. Es ist definitiv einfacher, diese Platten zu finden, als sich mit jemandem auseinander zu setzen, der eine Schreibblockade hat und das Album nicht termingerecht abliefern kann. Wir werden mit Sicherheit neue Sachen finden.