Falty DL – Dahin, wo es wehtut

08.04.2011
Foto:Sam Mirlesse
Wie sich Falty DL in der Vergangenheit an Garage, 2- und Dubstep-Strukturen ranmachte, war schon sehr hörenswert, wenngleich nicht besonders eigen. Diese eigene Linie hat der New Yorker mit __You Stand Uncertain__ nun gefunden.

»Für einen New Yorker gar nicht schlecht« – dieser Gedanke drängte sich einem noch bei Falty DL’s Erstling Love Is A Liability unweigerlich auf. Wie Falty DL sich da an Garage, 2- und Dubstep-Strukturen ranmachte, war definitiv okay, wenngleich nicht besonders eigen. Diese eigene Linie hat Falty DL mit You Stand Uncertain nun gefunden – zwar noch immer um eine großzügige Portion Referenzen angereichert, aber auch um einen roten Faden in puncto eigenes Schaffen ergänzt und ausgearbeitet. Die Vocalsamples wurden von echten Sängern abgelöst und mitunter driften die ungeraden Rhythmen dann sogar mal in Richtung Chillwave ab. Zeit für ein Gespräch mit dem Produzenten aus Übersee.

Omnipräsenz-Step
Dubstep ist dieser Tage omnipräsent. Durch James Blake und Konsorten bescherte die Auffächerung des Genres – oder seiner Post-Abwandlungen – das Feuilleton wie die Musikmagazine in den letzten Monaten gleichermaßen auf eine fast beunruhigende Art und Weise. Und wie das nun mal so ist, infiltrierten die wummernden Subbässe und verqueren Drumpattern wenig später auch die Charts. Die Britneys und Rihannas dieser Welt ließen sich den typischen Future Garage-Sound für ihre Bridges, Hooks und Remixe anliefern. Same old story.
Wie fühlt sich diese Infiltrierung für jemanden an, der in diesem Genre zuhause ist? »James Blake ist ein wunderbarer Produzent und hat einige wahnsinnige Dubstep-Tunes gemacht. Sein Album gefällt mir sehr gut«, setzt Falty diplomatisch an. »Und Hypes sind immer bescheuert, aber dadurch erreichst du einfach mehr Leute. Den Song von Britney kenne ich zum Beispiel nicht. Aber es ist gut für Dubstep. Denn die Musik war und ist immer ein Original, welches sich von einigen sehr individuellen Leuten und ihrem Drang zu produzieren entwickelt hat«, sinniert Falty DL. Und dennoch gerät auch die Musik von Leuten wie FaltyDL durch den Konsens-Step selbst immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit.

»Go and see how dark your mind can get and see what pops out of it!«

FaltyDL
Separierung per iPhone
Für Falty DL ein Grund, auch paramedial, also abseits von der Musik in Bezug auf das eigene Schaffen, aktiv zu werden. Momente arbeitet er dafür mit Dominic Flannigan von LuckyME zusammen – der zeichnete in letzter Zeit schon für die Visuals von Leuten wie den kanadischen House-Jungspund Jaques Greene, FlyLo-Affiliate Lunice oder Wonkywichser Rustie verantwortlich. »Ich denke, die visuelle Präsenz eines Künstlers in Form von Videos oder ähnlichen Dingen wird immer wichtiger. Damit kann man sich von der Flut an wöchentlichen Releases separieren. Deshalb drehe ich das auch mehr und mehr Videos, wie zum Beispiel für meinen Track Endeavour – das iPhone ist perfekt dafür.« Im 2-Minuten-Song sind grobkörnige und verwackelte Aufnahmen einer Bahnfahrt über die Manhattan Bridge zu sehen.
Was auf den ersten Blick banal und beliebig erscheint, wirkt erst auf den Zweiten so, wie es soll: Musik und Bild gehen hier – ähnlich wie bei vielen elektronischen Produzenten in diesen Tagen – eine scheinbar untrennbare Symbiose ein. Man wird vom Takt getragen, ins Bild gesogen und verliert sich im endlosen Schienenfahrtloop. Man fühlt sich alleine, vollkommen außen vor und versteht plötzlich, wie der Tune entstanden ist. »Die Art und Weise, wie ich Musik produziere macht mich sehr einsam, ja«, sinniert Falty. »Aber es erlaubt mir im Umkehrschluss auch, sehr tief zu gehen. Das ist etwas, dass ich jedem neuen und jungen Produzenten rate: †ºGo and see how dark your mind can get and see what pops out of it!†¹«

Schnelle Tracks mit Melancholie
Genau da hingehen, wo es wehtut. An den dunkelsten Punkt deiner Seele und schauen, was dabei herauskommt. Eine Spielweise, die Falty mit Sicherheit von seiner Zeit als Bassist in unterschiedlichen Jazzgruppen übernommen hat. Denn auch, wenn auf You Stand Uncertain die schnelleren Tracks präsenter sein dürften, durchzieht sie dennoch eine gewisse Form der Melancholie. Fragen zu seiner Musik beantwortet der New Yorker stets auf eine scheue Art und Weise. »Ich möchte eigentlich nicht viel darüber wissen, was meine Musik beim Hörer auslöst. Das ist doch, als würde man den Vorhang zurückziehen und ins Wohnzimmer schauen. Genau der Ort, an dem man selbst sein kann und von niemandem mehr beobachtet wird.«
Und wenn er selbst im Fokus steht. Verspürt er manchmal Druck? Oder gibt es gar Konkurrenz unter den Produzenten? »Ich denke, dass das alles sehr fair abläuft. Wenn jemand ein Vogel ist, gebe ich ihm auch keinen Respekt. Wenn jemand höflich ist, gebe ich das auch gerne zurück. Es gibt definitiv auch Stress in unserer Szene – er wird nur nicht so offen ausgetragen wie zum Beispiel im HipHop.«
Die harsche Gangart des HipHop-Beats klingt zuweilen auch in den Produktionen von Falty DL durch – ein Kollektiv, dass diese Attitüde derzeit vertritt wie nichts Gutes, sind die Odd Future-Jungs. »Ich bin großer Fan von Earl Sweatshirt und mag auch Tyler the Creator. Aber Earl ist der Shit!«, gibt Falty zu Protokoll. »Ich mag wirklich das raue an ihren Beats und Texten – vielleicht ist es sogar schon ein bisschen zu heftig. Aber ich hoffe, dass sie mit dieser Schiene erfolgreich werden. HipHop braucht diese Jungs gerade.«

»Ich weiß nicht viel. Weder über Menschen noch über irgendetwas anderes – deshalb auch der Titel.«

Falty DL
Garagegerumpel und beste Chillwavemanier
Genau so wie das mitunter recht inspirationslose Dubstep-Movement Menschen wie Falty DL braucht. Denn You Stand Uncertain ist, wie Eingangs schon erwähnt, mitnichten ein weitere uninspirierte Ansammlung an verschobenen Rhythmen und synkopischen Bassläufen. Mitunter flechtet er auch eine ordentliche Portion Garagegerumpel (Tell Them Stories) ein. Dann sind es wieder südamerikanische Zählweisen (The Pacifist). Oder er amalgamiert präzise ausgewählte Soundschnippsel in bestern Chillwavemanier ( Lucky Luciano ). Was stets mitschwingt, ist diese unbestimmte Tiefe.
So unbestimmt, dass Falty selbst nicht ganz genau zu wissen scheint, was er mit dem Album sagen will. »Das ist schnell erzählt«, lacht er. »Ich weiß nicht viel. Weder über Menschen noch über irgendetwas anderes – deshalb auch der Titel.« Alles im Ungewissen, also. Wenn es doch mal etwas zu sagen gibt, und die altbewährten Samples und Soundbits nicht mehr ausreichen, setzt Falty mittlerweile auf echte Vocals – unter anderem von Electronica-Chanteuse Aneka. Die Connection kam über Mike Paradinas und dessen Planet µ-Label zustande. Mike Paradinas veröffentlichte seit Anfang der Neunziger unter etlichen Synonymen seine IDM-Skizzen und Breakbeatproduktionen. Kein Wunder, dass er einen eklektischen Grenzgänger wie Falty unter seine Fittiche genommen hat.
Aber auch abseits des Geschäftlichen pflegen Falty und Mike ein enges Verhältnis: »Ich liebe Mike und sein Label sehr. Für mich fühlt es sich ein bisschen wie Zuhause an. Manchmal kann es aber auch schwierig sein und wir sprechen für sechs Monate nicht miteinander. Aber wenn es um Projekte geht, finden wir wieder zusammen. Was mein Selbstvertrauen in meine Musik angeht, hat er mir unheimlich geholfen.«