Liars – Live am 23.10. im Festsaal Kreuzberg in Berlin

29.10.2012
Zwischen »They Threw Us All In A Trench And Stuck A Monument On Top« und »Wixiw«: Liars präsentieren sich im Festsaal Kreuzberg in alter Rohheit und lassen sich auch von einem eiskalten Publikum nicht den Abend vermiesen.

Vielleicht war es ein Fehler, sich vor dem Konzert nochmal das Debüt von Liars anzuhören. Auf »They Threw Us All In A Trench And Stuck A Monument On Top« war die Brooklyner Band Anfang der 2000er eher unfreiwillig Teil des damaligen Post-Punk-Revivals in New York. Kraftstrotzend, wild und unkontrolliert präsentierte sich die damals noch als Quartett agierende Band und kotzte dieses sagenhafte Debüt aus, das in gerade mal zwei Tagen aufgenommen worden war, Kritiker begeisterte und den Grundstein für ihre Relevanz legte. 
Für den letzten Erguss – »Wixiw« – verbarrikadierte man sich gut zehn Jahre später in einer von der Außenwelt abgeschnittenen Hütte nahe L.A., ließ sich in den Wahnsinn treiben und gab das Material hinterher Mute-Boss Daniel Miller, der das Ganze dann produzierte. 
Bei der geballten Experimentierfreude, die Liars seit Tag Eins ihres Bestehens an den Tag legen, ist es das zugänglichste, da am wenigsten destruktive Album der Band. Man ist erwachsen geworden, zumindest im Studio. Die frühe Rohheit hat sich die zum Trio geschrumpfte Band für die Bühne aufgehoben und noch immer liest man davon, wie sie inzwischen mit Technobeats, aber auch mit dem dreckigen Repertoire früherer Tage, Hütten abbrennen.


Doch im Festsaal Kreuzberg wehrte sich das Publikum vehement gegen jede Regung ihres Körpers. Die Gründe dafür können vielfältig sein, sind aber nicht bei der Band zu suchen. Die inzwischen technisch sehr sicheren Liars machten trotz eines bloß zur Hälfte gefüllten Saales gute Stimmung und ließen sich von der Eiseskälte, die vom Publikum ausging, nicht beirren: »Die spielen wir noch warm«, wird sich die Band gedacht haben und begann ein großartiges Live-Set, bei dem man sich ehrlich fragte, ob die Musik vom Band kam und deswegen ganz genau auf die Lippen von Sänger Angus Andrew achtete. Doch es war alles live und man bekam eine erste Ahnung davon, wie es bei Liars abgehen kann. Als sich jedoch nach einer guten halben Stunde bei den wie angewurzelt stehenden Zuschauern noch immer nichts getan hatte, verlor auch die Band langsam ihre Motivation. Selbst bei alten Klassikern, bei denen das Potential der Verstärker mal ausgeschöpft wurde, ließen sich nur wenige dazu hinreißen, ihre Arme in die Luft zu werfen oder einen freudigen Zwischenruf zu wagen. Mit einer teils beschämenden Stille nach den Songs merkte auch die Band bald, das hier nicht mehr viel zu holen war. So spulte sie professionell, aber mit wenig Leidenschaft ihr Programm runter und ließ sich sogar noch nach etwas höflichem Klatschen für eine Runde Zugabe zurück auf die Bühne holen. Ein Fehler war es dennoch nicht, anstatt der aktuellen Platte das Debüt zu hören, die Erwartungen wären die gleichen geblieben. So ist man fast gezwungen, sich die Band woanders ein weiteres Mal anzuschauen – es kann ja nur besser werden.