Neo Judas – Als MySpace noch cool war

14.11.2013
Foto:Neo Judas
Chaotisch, comichaft, dunkel, düster, bitter – alles in einem kleinen Viereck gehalten. »Welcome To The Church Of Saint Judas.« Willkommen in der Welt von Neo Judas. Einem der spannendsten Künstler zurzeit.
Keinen Name, kein Alter und keinen Wohnort gibt es von Neo Judas. »Aufgrund von Superschurkenanonymitätsfetisch würde ich gerne auf die Angabe der abgefragten Basisdaten verzichten.« Seine Arbeiten finden sich bisher auf verschiedenen Covern, Shirts, im Internet und bei ihm zu Hause. »Ich freunde mich aber gerade mit dem Gedanken an, nächstes Jahr mal auszustellen.«,
Sein Stil ist zuerst geprägt durch ein, durch die ständige Wiederholung bestimmter Bildelelemente verursachter Wiedererkennungseffekt. Immer wieder tauchen Vögel und Monstrositäten auf. »Einige Figuren unterliegen hierarchischen Strukturen. Die Vögel sind eher so untere Stufe. Typen mit Totenschädeln, Goldketten und Uzis sind dagegen mehr so die Bosse und Kings.« Neo Judas’ Bilder sind überladen und verwirrend, doch genau deswegen bleibt das Auge an den vielen Details hängen. »Es kommen auch immer neue Elemente hinzu, einige fallen weg und tauchen später in modifizierter Form wieder auf.« Grundlegende Veränderungen in Zukunft schließt Neo Judas nicht aus. »Einzige Konstante aus meiner Sicht ist ein etwas seltsames Verständnis von Ästhetik und eine teilweise gewollt krüppelige Umsetzung.«Beeinflusst haben ihn dabei Comics, Zeichentrick und Actionfiguren, später kam Graffiti hinzu. »Vorbilder waren früher dementsprechend meist ältere Jungs, die krasser malen konnten als ich oder irgendwelche Comiczeichner.« Am meisten gefeiert über die Jahre hat er Werke wie »Akira«, »Preacher« und »Transmetropolitan«. »Der Einfluss ist heute auch nicht mehr so spürbar, denke ich«_, so Neojudas. Es sei mehr die Story gewesen, weswegen er die Serien gefeiert hat. Doch wer etwa den Comic von Warren Ellis um »Spider Jerusalem« kennt, dürfte ein paar Ähnlichkeiten in der gesamten Ästhetik entdecken – obwohl Neo Judas bereits einen sehr eigenständigen Stil hat. Einen sehr guten Stil noch dazu. Denn seine Werke zeichnen eine kalte Realität ab. Das Unbehagen beim Betrachten verwandelt sich bald in Gewissheit, dass da mehr Wahres als Überzeichnung steht.

»Einzige Konstante aus meiner Sicht ist ein etwas seltsames Verständnis von Ästhetik und eine teilweise gewollt krüppelige Umsetzung.«Beeinflusst haben ihn dabei Comics, Zeichentrick und Actionfiguren, später kam Graffiti hinzu.

Neo Judas
Für Audio88 & Yassin entwarf Neo Judas das Cover zu »Nochmal zwei Herrengedeck, bitte«. Vollrausch hat niemand bisher besser dargestellt. »Der Kontakt zu Audio88 kam über das Internet. Damals war MySpace noch cool und ich habe rückblickend den Eindruck, dass die Leute etwas weniger gehemmt waren, aufeinander zuzugehen«, erzählt Neo Judas. »Jedenfalls ging es mir so. Ich hab Audio88 dort einfach angeschrieben und ihm meine Liebe gestanden. Er hat mich dann mit dem Dreh eines Videos zu ›Ballermannhits‹ beauftragt und mir die Gestaltung der ›Vorglühen EP‹ mit Yassin und Retrogott überlassen. Hat ihm gefallen.« Musik spielt beim Gestalten eine Rolle, logisch. Für Cover Artworks versucht Neo Judas, Stimmungen und Themen der Tracks abzubilden. »Musik hat aber generell auch immer einen großen Einfluss auf mich gehabt. Als ich ›Fantastic Damage‹ von El-P zum ersten Mal gehört habe, war das eine große Sache für mich. Ich habe von da an jedenfalls viel gestörteres Zeug gemacht«, sagt Neo Judas. Für die Zukunft sind Kooperationen mit HotOtt geplant, ein weiteres Artwork für Audio88 und die Gestaltung einer 10-inch für eloQuent und Warpath ist bereits fertiggestellt. »Ein absoluter Traum wären Arbeiten für Aesop Rock, El-P und MF Doom, deren Plattencover ich aber größtenteils schon gut finde und daher keinen Verbesserungsbedarf sehe. Das Album, welches gemessen am Stellenwert, das es bei mir persönlich einnimmt, am ehesten eine Überarbeitung verdient hätte, wäre wohl Company Flows ›Funcrusher Plus‹. Das finde ich wirklich ein bisschen hässlich«, so Neo Judas. Und was wären seine Ideen der Veränderung? »Kein Plan, was ich machen würde. Wahrscheinlich ein fürchterliches Ungetüm.«