Ed Piskor – »Die Farbe ist mein Sampling«

03.07.2014
Foto:Ed Piskor
Ed Piskor ist derzeit einer der begehrtesten Zeichner. Im Interview spricht der 31-Jährige über Hacker, klare Strukturen, seine Arbeitsweise sowie was Hip Hop und Comics gemein haben.
Es ist so offensichtlich. »Es wundert mich, dass auf die Idee noch niemand vorher gekommen ist«, sagt Ed Piskor. Mit »Hip Hop Family Tree« verknüpft der US-Comicautor zwei Dinge, die für ihn sowieso nie separat standen. Vor mehr als zehn Jahren arbeitete Ed Piskor noch in einer Videothek, gab Pornographie an die Massen raus und sah in den Ecken die Spielsüchtigen an den Automaten. Beim diesjährigen Comic-Salon in Erlangen gehört er zu den begehrtesten Zeichnern, weil mit »Wizzywig« sein erster eigener Comic über den Hacker Kevin »Boingthump« Phenicle in gebündelter Form vor ein paar Wochen erschienen ist. Auch »Hip Hop Family Tree« von Piskor ist präsent am Salon. Ein Gespräch über klare Strukturen, gemeine Freunde und Farben.

Du hast sehr klare Strukturen auf deinen Seiten, die Panels liegen oft gleich. In einem früheren Interview hast du mir erzählt, dass du damit nicht nur die Leser im US-Comic-Mikroversum ansprechen möchtest. Warum?
Ed Piskor: Wir als Comicleser haben bereits Erfahrung darin, wie man Comics liest. Wir wissen, wie man Comics liest. Wir sind da bereits involviert. Aber wir können nicht voraussetzen, dass jeder einfach so in einen Comic einsteigen kann. Ein Marvel-Comic kann sehr verwirrend sein für Leute, die noch nie einen Comic gelesen haben. Die Sprechblasen sind an unterschiedlichen Stellen, sie stellen sich die Frage, welches Panel sie zuerst lesen sollen. Ich wollte, dass meine Comics von jedem gelesen werden können. Deswegen habe ich das als Grundstruktur genutzt. Das ist ein Gitter, das für die ersten einhundert Jahre von Comics perfekt funktioniert hat. Es gibt also keinen Grund, zu viel zu ändern. Ich möchte auch diesen Stakkato-Rhythmus in meinen Comics. Ich ändere die Panels, wenn es sein muss. Aber wenn sie sich ändern, dann hat das einen Grund.

Wie lange arbeitest du an einer Seite?
Ed Piskor: Was »Hip Hop Family Tree« angeht so ungefähr 20 Stunden. Es braucht acht Stunden zum Zeichnen, acht Stunden zum Nachzeichnen und vier Stunden zum Anfärben. Ich denke immer, dass die Arbeit vorbei ist, wenn ich mit dem Zeichnen durch bin und dass das Nachzeichnen einfach ist, aber dann braucht das noch einmal deutlich länger.

Ich mag erst einmal Oldschool Hip Hop, ich mag die Ästhetik, die Mode, New York um diese Zeit, Graffiti. Also wollte ich einen Comic machen, der diese Bilder hat.«

Ed Piskor
In Deinem Comic »Wizzywig« hast du viele verschiedene reale Biographien genommen und sie in dem Charakter Kevin »Boingthump« Phenicle gebündelt.
Ed Piskor: Ich wollte einen biographischen Comic machen über eine reale Person machen, aber »Wizzywig« ist der erste Comic, den ich selbst geschrieben und gezeichnet habe. Somit hatte ich vorher keine Beglaubigung, dass ich so etwas machen kann. Niemand wusste, dass ich das kann. Als ich dann Leute angesprochen habe, meinten sie nur: »Wer bist Du? Du bist nichts.« Aber ich wollte unbedingt eine Geschichte aus diesem Umfeld machen. Also gab es nur einen Weg: einen gemischten Charakter erstellen. Am Ende ist es dann sogar besser geworden, weil ich die besten Geschichten von all diesen Hackern genommen habe und sie in eine Story gepackt habe. Es gibt keine Tiefpunkte, die Geschichte steigt so stetig an.

Lass uns über »HipHop Family Tree« reden. Was bedeutet Hip Hop für Dich genau?
Ed Piskor:* Wenn ich ehrlich bin, dann ist es in einer gewissen Art mein Leben. Es ist ein Umfeld, in dem ich groß geworden bin. Es ist eine der wichtigsten Kulturen in meinem Leben. Selbst das Zeichnen habe ich in einer Hip Hop-Art gelernt. Es gab viel Konkurrenz, viele Herausforderungen und oft psychologische Kriegsführung. Als ich mit dem Zeichnen anfing, zogen meine Freunde und ich uns auf. Da gab es kein Lob, sondern ein: »Es sieht aus, als ob du da ein Bein gemalt hast, wo ein Arm sein sollte. Das ist schwach, Alter. Du kannst mit uns nicht mehr rumhängen, wenn du so weitermachst.« So haben wir dann immer versucht besser zu werden, damit wir mehr Mist sagen konnten als die anderen. Und diese Freunde habe ich noch heute im Hinterkopf, wenn ich eine Seite zeichne, obwohl ich sie schon lange nicht mehr gesehen habe.

Ist das der Grund, warum du die Geschichte des Hip Hop zeichnen wolltest?
Ed Piskor: Ich mag erst einmal Oldschool Hip Hop, ich mag die Ästhetik, die Mode, New York um diese Zeit, Graffiti. Also wollte ich einen Comic machen, der diese Bilder hat. Und dann, vielleicht durch zu wenig Phantasie, habe ich überlegt, die Geschichte des Hip Hop zu zeichnen – mit all den Leuten. Ich hatte das Gefühl, dass ich da einen sehr umfangreichen Comic machen kann. Und da sind wir jetzt.

Wie lange wirst du die Geschichte eigentlich zeichnen? Kommst Du damit irgendwann 2014 an und zeigst das Leben des Kanye West?
Ed Piskor: Das bezweifele ich. Um an diesen Punkt zu kommen, bräuchte ich ja selbst 25 Jahre von meinem Leben. Ich habe jetzt für sechs Bücher unterschrieben, da werde ich nicht sehr weit kommen bei den Jahren, auch wenn es sehr interessant wird. Vielleicht komme ich da bis 1987. Aber Du musst bedenken, dass ich danach ja weitermachen könnte, wenn die Leute es mögen.

In »Hip Hop Family Tree« ist die Farbe ja ziemlich wichtig – warum hast du diese zurückhaltenden Farben genommen?
Ed Piskor: Ich wollte, dass es so aussieht, als ob es aus dieser Zeit kommt, und der gleiche Druck für die Produktion benutzt wurde, den es in den späten Siebzigern, frühen Achtzigern in Amerika gab. Deswegen sieht es auch so schmutzig aus. Ich habe die Farben aus alten Comics eingescannt und für meine eigene Zwecke benutzt. Die Farbe ist meine Art des Samplens.