Review

Joshua Abrams & Natural Information Society

Mandatory Reality

Eremite • 2019

Vor zwei Jahren war »Simultonality« von Joshua Abrams und seiner Formation Natural Information Society eines der spannendsten Alben im minimalistisch informierten, für Krautrock und Afrobeat aufgeschlossenen Jazz. Jetzt meldet sich der Bassist mit einer Art Großkomposition in vier Teilen zurück. »Mandatory Reality« entfaltet sich über 80 Minuten wie ein endloses Gamelanritual, bei dem man die Verschiebungen im Zweifel erst nach ein paar Minuten registriert, wenn man längst schon ganz woanders vorbeigekommen ist. Die einzelnen Schichten der Instrumente wie Gongs, Tabla, Harmonium, Bläser, darunter jede Menge Flöten – Abrams selbst spielt die afrikanische Laute Gimbri –, fallen in dem Geflecht ebenfalls kaum auf. Abrams schafft konzentrierte Dichte bei zugleich maximaler Luftigkeit. Permanente Veränderung, die wie Stillstand erscheint. Eine paradoxe Angelegenheit, in der die Melodien in Patterns integriert sind, kleine Ausbrüche der einzelnen Spieler, das Klavier etwa im vierzigminütigen »Finite I«, klingen bei aller Zurückgenommenheit fast frivol. Strenge Schönheit, die nie hermetisch wirkt, sondern so offen wie ihre eigene Form. Wenn dann die dissonanten Akkorde von »Shadow Conductor« einsetzen, erinnert das ein wenig an eine instrumentale Minimal-Version von »I’m Waiting For The Man« von Velvet Underground Ein ruhiger, ehrfurchtgebietender Koloss.