Review

Larry Heard

Sceneries Not Songs Vol.1

Alleviated • 2020

Auf seinem ersten Album unter Klarnamen veröffentlichte Larry Heard, bis dato vor allem mit Pseudonymen wie Mr. Fingers aktiv, Musik, die ideell wie ästhetisch doch ein gutes Stück von dem Sound entfernt war, der ihn als Deep-House-Innovator in die Geschichtsbücher einschrieb. Das belegt nicht nur das etwas wirre, leicht esoterisch anmutende Cover, das weniger von Afrofuturismus denn von Erich von Dänikens prä-astronautischen Exkursen beeinflusst scheint – Raumfahrer meets Bibelzitat inklusive. »Sceneries Not Songs Vol.1« ist als Reissue deshalb nicht nur aufgrund seines warmen, analogen Klangs interessant, sondern spiegelt eine Gedankenwelt seines Schöpfers wider, die sich von der der bescheidenen, fast schon staatsmännischen House-Ikone heutiger Tage abhebt. Die neun überwiegend ausladenden Tracks ermöglichen ein Eintauchen in Larry Heards Klang-Architektur, die 1994, trotz Tracks wie »Washing Machine« oder »Mystery Of Love«, noch immer im Wachsen begriffen war; Ambient- und Downtempo-Epen wie »Summertime Breeze« mischen sich unter geradere Titel wie das zehnminütige »Midnight Movement« oder den Opener »Dolphin Dream«, die mehr an klassischen House erinnern. Stücke wie »Caribbean Coast« klingen auf sympathische Weise nach Beatmaker-Reißbrett, dennoch beeindruckt der scheinbar mühelose Balanceakt zwischen verspielter Freiheit und gleichzeitiger Stringenz, mit der der Chicagoer diese einstündige Easy-Listening-Erfahrung mit kosmischen Pinseltupfern anging. Lohnenswertes Reissue eines Albums, das womöglich mehr über Larry Heard verrät, als es seine größten Hits vermögen.