Verwirrende Gemengelage: Die Ear Clip Series wird vom Plattenladen Chez Emile Records in Lyon herausgegeben, die zweite Ausgabe wurde vom ehemaligen Booker des Berliner Clubs Arkaoda – seines Zeichens ein Ableger der gleichnamigen Istanbuler Institution – herausgegeben. Dieser spielt in einer Band namens Jean-Luc und heißt eigentlich Louis mit Vornamen, nennt sich aber auch Low Bat. Und die neue Compilation? Heißt entweder »Endlich Normale Menschen Volume 1« oder »E.N.M. steht für Endlich Normale Menschen« und ist laut einem handschriftlichen Vermerk auf dem Cover-Artwork noch ganz anderen Leuten gewidmet. Verwirrend ist auch die Musik darauf, in wunderbarster Weise. Über eine Doppel-LP geben sich hier Underground-Figuren die Klinke in die Hand, welche entweder mit anderen Projekten bekannt sind – Max Riegers Improv-Ambient-Trio Jauche ist dabei – oder die aber zuvorderst wie Kashual-Plastik-Betreiber F. Æmbient oder Bohemian-Drips-Mitbegründer Vamilienfa†er hinter den Kulissen höchst aktiv sind. Normale Menschen indeed. Dem Tommy Gerhardt-ismus des Titels zum Trotz richtet sich das musikalische Programm aber nicht Richtung Ballermann aus, sondern zieht sich in stickige Keller zurück. Brodelnder Ambient, dumpf schubbernde Rhythmen, Minimal-Wave-Abstraktionen, bollernder Electro-Punk und ein krautiges Epos: Schon die erste der zwei 12"s bietet genug Stoff für sonderbare Bar-Nächte. Die zweite ist deutlich beat-orientierter. Vom »Running Up that Hill«-Gedenk-Groove hin zu einem atmosphärischen Hip-Hop-Derivat sowie balearischen Vibes mit Acid-Sprengseln und großem Big-Beat-Finale mit näselnd-naiver Hookline: Das Tempo wird dezent angezogen, es werden Shots nachbestellt und danach könnte es direkt weitergehen, wenn die Weltlage es denn zulassen würde. Weil sie es nicht tut, bietet sich stattdessen ein Rewind an. Denn so wunderbar verwirrend »Endlich Normale Menschen Volume 1« auch ist: Gerade deshalb gibt darauf sehr viel zu entdecken.
Endlich Normale Menschen Volume 1
